Wlodzimierz Borodziej: "Es handelt sich um Gerüchte"

Der polnische Historiker Wlodzimierz Borodziej äußert sich zum Streit über das Willy-Brandt-Zentrum in Wroclaw.

Universität Wroclaw: Debatte um das Willy-Brandt-Zentrum Bild: dpa

taz: Herr Borodziej, die Nachricht von der möglichen Schließung des Willy-Brandt-Instituts hat hier Besorgnis hervorgerufen. So schreibt die Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, Angelika Schwall-Düren, ihre Gesellschaft "beobachte mit Sorge die Aktivitäten des Rektorats der Universität Wroclaw, die zur Abwicklung des Zentrums führen können". Ist die Sorge berechtigt?

Wlodzimierz Borodziej: Nach all den Gerüchten, die es in Warschau gegeben hat, ja. Aber es handelt sich um Gerüchte, nicht um Tatsachen. Allerdings hat es die Kündigung von zwei Verwaltungsstellen am Willy-Brandt-Institut gegeben - den beiden einzigen, ohne die eine Weiterarbeit des Instituts unmöglich wäre. Diese Kündigungen müssen zurückgenommen werden. Falls nicht, wäre der Effekt fatal, für die Universität und für die polnisch-deutschen Beziehungen.

Wurden diese ersten Entlassungen einvernehmlich von den akademischen Gremien veranlasst?

Der akademische Senat hat im Juni sein Interesse am Fortbestand des Instituts bekundet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Rektorat sich über dieses Votum hinwegsetzt.

Sie waren Mitglied der Evaluationsgruppe zur Begutachtung der Arbeit des Willy-Brandt-Instituts. Die polnische Presse berichtete als Ergebnis der Evaluation, die Arbeit des Instituts sei so schlecht, dass man sie nicht fortführen könne. Entspricht das dem Befund der Kommission?

Überhaupt nicht. Wir haben auf Mängel hingewiesen, die bei Neugründungen von Instituten häufig auftreten. Inhaltlich war unsere Hauptanforderung, dass das Zentrum ein schärferes wissenschaftliches Profil entwickeln muss. Das heißt: besser bündeln, die Aktivitäten konzentrieren. Im Ergebnis haben wir ausdrücklich die Fortführung des Zentrums gutgeheißen.

Welche politischen Interessen können dazu geführt haben, dass das Rektorat und insbesondere der Prorektor, ein Kollege des Leiters des Willy-Brandt-Instituts, die Schließung des Zentrums zu betreiben versuchen?

Ich sehe keine rationalen Beweggründe dafür, dass die Uni Breslau selbst eins ihrer Aushängeschilder demontiert.

Ist von Seiten regierungsnaher Politiker oder Publizisten der Vorwurf erhoben worden, das Institut sei zu deutschfreundlich? Drastisch gesagt, seine Mitarbeiter seien von den Deutschen gekauft?

Ein solcher Vorwurf ist mir nicht begegnet.

Wenn es sich nur um die Intrige eines Rektors oder seines Prorektors handelt, wo liegt dann das politische Problem?

Das politische Element liegt im Kontext. Auf Grund der gegenwärtigen politischen Lage werden Vermutungen laut, es habe von Regierungsseite aus eine Einmischung gegeben. Dies allein führt zu einer weiteren Verschlechterung der polnisch-deutschen Beziehungen. Eine solche Einmischung halte ich für unwahrscheinlich. Bedenken Sie, dass die polnischen Universitäten jetzt über größere Autonomie verfügen als die deutschen. Eine Anweisung oder auch nur ein Rat von ministerieller Seite zur Institutspolitik würde bei den Universitäten schlecht ankommen.

Kann man nach dem jetzigen Stand der Dinge sagen, dass das Zentrum weiterbestehen wird?

Bei solchen Auseinandersetzungen sind stets auch Prestigefragen im Spiel. Ich hoffe, der Rektor der Uni Breslau beweist Einsicht und rudert zurück.

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