Kommentar: Mogelpackung von George W. Bush

Das Antifolter-Dekret ist kein Richtungswechsel der US-Administration. Die Europäer sollten sich Gedanken um den Umgang mit Terrorverdächtigen machen.

Hat die Administration von US-Präsident George W. Bush endlich eingesehen, dass die Folter gefangener Terrorverdächtiger weder die USA sicherer machen noch Verbündete moralisch gewinnen kann? Auf den ersten Blick positiv, hat Bush endlich die vom Kongress bestellte Verordnung unterzeichnet, die neben Folter und grausamer sowie inhumaner Behandlung erstmals auch sexuelle und religiöse Erniedrigung verbietet. Doch damit gibt der Präsident auch der CIA und ihren geheimen Verhörprogrammen von Terrorverdächtigen, die der Kongress im letzten Herbst gestoppt hatte, wieder grünes Licht. Unklar bleibt weiterhin, was tatsächlich in den Gefängnissen des US-Geheimdienstes passiert. Denn die Verordnung trägt die gleiche Handschrift wie die zahlreichen Dokumente zum Thema zuvor. Allein ihr Titel lässt vermuten, dass alle Kritik vergebens ist: "Interpretation der Genfer Konventionen".

Die Debatte um die Folter hatte sich von Anbeginn an im Reich der Worthülsen und Interpretationen abgespielt. Offiziell verdammt die US-Administration brutale Befragungsmethoden genauso, wie es die Regierungen in Berlin, Paris oder London tun. Kam aus dieser Richtung Kritik, hieß es stets, man sei doch einer Meinung.

Der Dissens wird erst im Kleingedruckten deutlich. Dort steht seit 2001, dass es sich bei den Terrorverdächtigen gar nicht um Kriegsgefangene handelt, weshalb die Genfer Konvention nicht greift. Schlaue US-Berater ertüfftelten dazu das juristisch nicht zu packende System Guantánamo und die "black sites" genannten Geheimgefängnisse - eine Konstruktion, mit der sich Gerichte noch auf Jahre hin werden befassen müssen.

Washington bleibt dabei: die prekäre Sicherheitslage erfordert besondere Mittel, entgegen aller Kritik und auch angesichts falscher erpresster Geständnisse. Statt mit dem Finger auf die USA zu zeigen, wäre es aber an der Zeit, dass Berlin, Paris und London langsam einmal konstruktive Vorschläge machten, wie am besten mit gefährlichen Terrorverdächtigen und gefangenen Al-Qaida-Mitgliedern zu verfahren sei. Das würde nicht nur der US-Opposition helfen, die nicht nur debattiert, wie Guantánamo abgeschafft werden kann, sondern auch, wie die Sicherheit insgesamt zu gewährleisten ist.

Unsere berechtigte US-Kritik bedeutet keineswegs, dass wir auch die besseren Ideen haben, wenn es um Terrorbekämpfung und -prävention geht. Natürlich war und ist die jetzige Bush-Administration desinteressiert an gemeinsamen Lösungen - doch bald regiert in Washington jemand anderes. Genau wie in Europa die Erwartungen an eine zukünftige US-Regierung wachsen, erwarten auch die liberalen USA eine konstruktivere Rolle Europas. Gemeint sind damit weniger die erhobenen Zeigefinger als vielmehr praktikable transatlantische Konzepte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.