China: Der tiefe Fall des smarten KP-Chefs

In Schanghai soll der örtliche Parteivorsitzende Chen Liangyu 357 Millionen Euro veruntreut haben. Jetzt wartet er auf seinen Prozess.

Glitzermetropole Schanghai - auf Lug und Trug gebaut Bild: dpa

PEKING taz Er ist "moralisch verkommen", hat dem "Volk und der Nation großen Schaden zugefügt" und "das Image der Kommunistischen Partei beschädigt". Aus dem Schanghaier Pensionsfonds soll er 357 Millionen Euro illegal an private Firmen verliehen, sich über zwanzig Jahre lang schamlos bereichert, Verwandten und Günstlingen Posten zugeschanzt und auch noch "Sex gegen Geld getauscht" haben.

Die eindrucksvolle Sündenliste veröffentlichten gestern Chinas amtliche Medien und begründeten damit den Rauswurf eines der mächtigsten Politiker Chinas aus der KP und allen Regierungsämtern: Der 60-jährige Chen Liangyu, früher Mitglied des Politbüros und bis Herbst 2006 Parteichef von Schanghai, ist die zentrale Figur im größten Korruptionsskandal Chinas seit über einem Jahrzehnt.

Nach monatelangen Untersuchungen durch Inspektoren der "Zentralen Disziplinkommission" genannten KP-internen Kriminalpolizei ist der Fall nun der Staatsanwaltschaft übergeben worden, verkündete die Partei in einer Erklärung.

Offen ist, wann Chen vor Gericht kommt. Der Prozess dürfte hinter verschlossenen Türen stattfinden, denn die KP will verhindern, dass peinliche Details an die Öffentlichkeit geraten. Die Frage ist nun, ob Peking entschieden hat, den Schanghaier zum Tode zu verurteilen oder ihn mit lebenslanger Haft davonkommen zu lassen. Noch nie ist ein Politbüromitglied hingerichtet worden.

Die Verhaftung Chens im vergangenen September war einem politischen Erdbeben gleichgekommen: Parteichef Hu Jintao hatte heimlich hunderte Parteikontrolleure aus Peking in die 18-Millionen-Metropole Schanghai entsandt. Sie beschlagnahmten Behördenakten und verhörten Funktionäre.

Dutzende Kader und Geschäftsleute haben seither ihre Posten verloren, einige sitzen bereits hinter Gittern. Dazu zählen Manager des Pensionsfonds und Angestellte der Sozialbehörden ebenso wie ein Schwager Chens, der den hunderte Millionen Euro teuren Formel-1-Ring von Schanghai gebaut hatte.

Der Aufstieg des smarten Chen an die Spitze von Schanghai begann in den neunziger Jahren - und war eng verbunden mit der Entwicklung der Hafenstadt zum Schaufenster des neuen Chinas. Nach seinem Architekturstudium war er 1980 in die Partei eingetreten. Im Jahr 2002 stieg er zum Parteisekretär der Stadt auf, der mächtiger ist als der Bürgermeister. Eine Zeit lang hatte Chen sogar beide Ämter gleichzeitig inne. Chen perfektionierte das System, das hinter dem Wirtschaftswunder Schanghais stand. Mit öffentlichen Geldern förderte er Prestigebauten und lockte Investoren an. Anders als die Politiker der Stadt glauben machen wollten, waren es keineswegs nur das prickelnde Leben am Huangpu-Fluss und die Eigeninitiativen der Privatunternehmer, die die Stadt attraktiv machten: Den Aufstieg ermöglichten vor allem billige Darlehen, die an Firmen verteilt wurden. Sie stammten zum Teil aus der Rentenkasse.

Lange schien niemand Chen antasten zu können, denn er gehörte zur sogenannten Schanghai-Clique um den früheren Parteichef Jiang Zemin, der noch immer wie ein kleiner König in der Stadt residiert.

Doch als er Befehle aus Peking ignorierte, den Bauboom und das rasante Wachstum abzubremsen, hatte seine Stunde geschlagen. Parteichef Hu bewies damit, dass er die Macht in der Hand hat - und die einflussreiche Schanghai-Clique in die zweite Reihe getreten ist, heißt es seither in Peking. Den Schlag gegen Chen verstehen viele Intellektuelle weniger als einen Schlag gegen die allgegenwärtige Korruption denn als Teil des politischen Machtkampfes.

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