Kommentar: Ministerin ohne Geschäftsbereich

Annette Schavan fortert eine "Nationale Bildungsinitiative" - doch für einen Angriff auf den Bildungsföderalismus ist es längst zu spät.

Erst das eigene Ministerium aufzulösen, um kurze Zeit später dessen Wiedereinführung zu fordern: ein solches Kunststück ist bisher noch keinem Politiker gelungen. Annette Schavan, zuletzt so etwas wie eine Bundesministerin fast ohne Geschäftsbereich, hat es geschafft. Tatenlos sah die CDU-Politikerin zuerst zu, wie im Zuge der Föderalismusreform alle gesamtstaatlichen Kompetenzen im Bildungsbereich abgeschafft wurden. Nur in der Forschungspolitik durfte der Bund noch mitreden. Ansonsten blieb Schavan nichts als die präsidiale Rolle einer Grüß-Augusta der Bildungsnation.

Jetzt auf einmal soll alles wieder anders werden. Schavan stellt sich an die Spitze der Bewegung für bundesweite Bildungsstandards und fordert eine "Nationale Bildungsinitiative". Es bleibt Schavans Geheimnis, was dieses Gremium eigentlich von der alten "Bund-Länder-Kommission für Bildungsfragen" unterscheiden soll, die im Zuge der Föderalismusreform gerade erst auf das schmale Feld der Forschungspolitik zurechtgestutzt worden war.

Nun plötzlich ist sogar von bundesweit einheitlichen Schulbüchern die Rede - ein geradezu revolutionärer Schritt in einem Land, in dem für verschiedene Bundesländer, Klassenstufen und Schulfächer mehrere tausend verschiedene Lehrpläne gelten. Dass Pädagogen an einem Schulbuch mitarbeiten, das dann im eigenen Bundesland gar nicht zugelassen wird, ist noch einer der harmloseren Auswüchse eines Systems, das vor allem der Selbstbeschäftigung von 16 verschiedenen Kultusbürokratien dient.

Zumindest an den Hochschulen ist es dank europaweiter Austauschprogramme heute oft leichter, von Berlin etwa nach Bologna zu wechseln, als ins benachbarte Potsdam. Dass ein solcher Irrsinn die Legitimation des deutschen Bundesstaats zerrüttet, hat die nicht mehr zuständige Ministerin inzwischen erkannt. Ohne Vergleichbarkeit der Bildungswege tendiere die Akzeptanz des Föderalismus "gegen null", erklärte sie am Wochenende.

Das Argument ist verräterisch: Außer dem Druck der öffentlichen Meinung verfügt Schavan über keinerlei Machtmittel mehr, um gegen den Widerstand der Länder eine gesamtstaatliche Bildungspolitik durchzusetzen.

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