Tour de France: Keine Erhellung

Das Doping-Geständnis von Patrik Sinkewitz bringt dem Doping-Kampf nichts. Auch er stellt sich als Einzeltäter dar

Da wähnte sich Patrik Sinkewitz noch unentdeckt Bild: dpa

BERLIN taz Geständige Dopingsünder sind eine Seltenheit. Insofern sollte man sich freuen, dass sich Patrik Sinkewitz offenbart hat. Er wolle nicht taktieren, ließ der Radprofi in einem Schreiben mitteilen, das sein Rechtsanwalt Michael Lehner versandte, sondern sein Fehlverhalten eingestehen und zur Wahrheit finden. Wunderbar, möchte man da denken, solche Leute braucht der Anti-Doping-Kampf, mit solchen Leuten hat der Sport eine Chance.

Das sah auch der Arbeitgeber von Sinkewitz, das Team T-Mobile, so. Der 26-Jährige wurde zwar vertragsgetreu entlassen, weil sein Geständnis und sein Verzicht auf Öffnung der B-Probe nun auch offiziell einen Dopingfall darstellen. Unternehmenssprecher Christian Frommert fand es jedoch "gut, dass die Öffentlichkeit und die Fans nicht mit albernen Verteidigungsstrategien enttäuscht und genervt werden". Die Welt von T-Mobile ist also wieder heil. Der böse Quertreiber ist reumütig zum Kollaborateur auf dem Weg in einen dopingfreien Radsport konvertiert: "Ich wünsche, dass alle Radteams, vor allem auch 'mein' T-Mobile-Team auf dem von ihm eingeschlagenen Weg weitermachen und sich nicht durch das - auch durch mich mit veranlasste - Geschehen entmutigen lassen", notierte Sinkewitz, der sich derzeit zu Hause in Osthessen von seinem Sturz während der Tour erholt. "Ich bin bereit, nach meiner Sperre in einem neuen Radsport wirklich mitzumachen. Dieser Herausforderung stelle ich mich."

Bis zum Fall Sinkewitz hatten die Unternehmens-Kommunikatoren von T-Mobile es geschafft, das Image der Mannschaft nach der Ullrich-Ära umzudrehen. Die Pinkfarbenen sollten im Profi-Peloton für Jugend und Redlichkeit stehen. Als Sinkewitz, eigentlich als einer der Bannerträger dieses Neubeginns vorgesehen, während der Tour mit merkwürdigen Testosteronwerten aufflog, war das freilich für das neue Image der strampelnden Konzern-Repräsentanten ein herber Schlag. Sofort wurden in Bonn im Betriebsrat und unter den Arbeitnehmervertretern Stimmen laut, die forderten, nun endlich den Laden dichtzumachen und die 12 Millionen Euro im Jahr für etwas Sinnvolleres auszugeben als für eine Radl-Truppe.

Innerhalb der kommenden 14 Tage soll nun entschieden werden, ob T-Mobile weiter mit viel Geld für einen sauberen Radsport kämpft. Da kommt denjenigen, die die Mannschaft am Leben erhalten wollen, das Sinkewitz-Geständnis sehr zupass. Jedenfalls in der Form, in der es der Sinkewitz-Anwalt sorgsam formuliert hat. Spontan und ohne nachzudenken habe er sich eine Testoteronsalbe auf die Arme geschmiert, ließ Sinkewitz verlautbaren, um die großen Belastungen während eines harten Trainingslagers in den Pyrenäen besser auszuhalten. Es war also eine einsame Entscheidung eines jungen Dummkopfs, sich das Zeug durch die Haut sickern zu lassen. Das wird Sinkewitz vermutlich auch der unabhängigen Kommission des Bundes Deutscher Radfahrer erzählen, der er sich, wie er schreiben ließ, in vollem Umfang zur Verfügung stellen wird. In ihrem Bemühen, herauszubekommen, wie Dopingnetzwerke im Radsport funktionieren, wird das diese Kommission freilich nicht sonderlich weit bringen. Hintermänner, das wird aus dem Geständnis von Sinkewitz deutlich, werden wohl nicht preisgegeben, schon gar keine, die möglicherweise noch immer innerhalb des sauberen T-Mobile-Teams operieren.

Die Gespräche, die Patrik Sinkewitz in den Wochen seit seinem positiven Test mit dem Sportdirektor der Mannschaft, Rolf Aldag, geführt hat, haben offenbar weniger gefruchtet als die Gespräche mit seinem Rechtsanwalt. Aldag hatte, so erzählte der selbst erst kürzlich geständige Ex-Doper, Sinkewitz dazu angehalten, mit der ganzen Wahrheit herauszurücken. Das jetzige Geständnis erscheint hingegen ein wenig zu opportun für alle Parteien, als dass man ihm zu hundert Prozent trauen könnte. Mit der Erhellung des ganzen Dopingsystems innerhalb des Radsports ist es Aldag selbst allerdings auch nur halbernst. Auch sein eigenes Geständnis ließ ihn wie einen Einzeltäter aussehen. Lediglich den Masseur Jef dHondt nannte Aldag als Komplizen bei seiner jahrelangen Epo-Einnahme, andere im Team, wie Jan Ullrich oder Teamchef Walter Godefroot, wollte er nicht belasten. Und dHondt hatte ja über seine Aktivitäten bereits selbst ausgiebig Auskunft gegeben.

Immerhin war Aldag bei seinem Geständnis, anders als Sinkewitz, persönlich vor Fernsehkameras getreten. Vielleicht liegt es ja an den noch heilenden Gesichtsverletzungen von seinem Sturz, dass Patrik Sinkewitz sich lieber über ein Schreiben seines Anwaltes offenbarte. Den Zukunftsplänen seines ehemaligen Arbeitgebers und seiner eigenen Glaubwürdigkeit wäre es zuträglicher gewesen, wenn er persönlich das Wort ergriffen hätte. So hinterlässt das Bekenntnis von Herrn S. indes den Eindruck eines allzu ausgeklügelten Schachzuges.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.