die wahrheit: "Ich bin der Stadl-Cop"

Ein Wahrheit-Interview mit Albert Lobinger, Kriminalermittler im Volksmusik-Milieu

Von ihren flüssigen Drogen und ihrer wilden Volksmusik berauscht, feuern Gangsta-Stadler Waffen ab Bild: ap

taz: Herr Lobinger, können Sie sich noch an den Tag erinnern, als Sie das erste Mal "Musikantenstadl-Cop" genannt wurden?

Albert Lobinger: Das muss vor ungefähr zehn Jahren gewesen sein, als ich noch als Ermittler in der Mordkommission war. Weil es in München so viele Gewaltverbrechen gab, die mit volkstümlicher Musik in Verbindung standen, wurde jemand gesucht, der sich ausschließlich dieser Fälle annehmen sollte. Ich hatte dafür die Voraussetzungen, weil ich zuvor als verdeckter Ermittler im Drogendezernat gearbeitet hatte. Mein Chef erklärte mir, dass ich künftig alle Volksmusik-Kriminalfälle in München bekommen würde. Am Ende des Gesprächs klopfte er mir auf die Schulter und sagte: "Von nun an bist du der Stadl-Cop."

Was sind das für Verbrechen?

Schießereien, Entführungen, Einbruch, Diebstahl, Erpressung, Drogen- und Waffenhandel, bis hin zum Mord. Besonders oft wird der teure Schmuck der Stars geraubt, das Edelweiß oder der Gamsbart. Florian Silbereisen ist auf offener Straße überfallen worden, die Wildecker Herzbuben wurden gleich zweimal komplett ausgeraubt. Na ja, beim ersten Mal haben die Diebe wohl nicht alles geschafft.

Arbeiten Sie allein?

Am Anfang bestand die Musikantenstadl-Einheit nur aus mir. Heute ist sie viel größer.

Was machen Sie den ganzen Tag als Stadl-Cop?

Ich muss herausfinden, wer sich in Liedtexten gegenseitig schlechtmacht, wer mit wem im Streit liegt, all so was

Müssen Sie dafür jeden Tag neue Platten kaufen?

Ein Budget für Platten stellt das Polizeipräsidium leider nicht. Aber ich habe gute Kontakte in die Szene, weil ich viele Jungs noch aus meiner Zeit als Drogencop kenne. Die arbeiten jetzt als Manager oder als Bodyguards.

Was unterscheidet einen Stadl-Kriminalfall von einem anderen Verbrechen?

Die Streitigkeiten bauen sich über Jahre auf. Oft endet so ein Streit tödlich, weil in der Szene viele Waffen kursieren. Und häufig sind Stars die Opfer - das macht alles noch komplizierter.

Welche Waffen lieben die Volksmusikstars besonders?

Pfundige Waffen natürlich, Schrotflinten, Hirschfänger, Maschinengewehre - Sie wissen schon: alles, was groß ist, glänzt und in Heimatfilmen vorkommt.

Was war der schwierigste Fall, den Sie je im Stadl-Milieu lösen mussten?

Meistens ging es dabei um die Zerschlagung extrem gewaltbereiter, gut organisierter Gangs, die ihr Revier verteidigen. Zum Beispiel der Bandenkrieg zwischen den Kastelruther Spatzen und den Zillertalern. Diese Bergbewohner morden für Speck oder für Schnupftabak, und weil sie so viel Geld machen, bringen sich die rivalisierenden Gangs gleich komplett um. In der Gangsta-Stadl-Szene kooperiert auch keiner mit der Polizei, kaum jemand sagt da aus.

Und Sie als Stadl-Cop standen zwischen den Fronten?

Das war das Schwierigste an diesem Job. Ich musste verbohrten Polizisten beibringen, dass es im Musikantenstadl nicht nur Gangster gibt. Den Musikern wiederum musste ich klarmachen, dass die Gewalt im Stadl nichts zu suchen hat.

Bekommen Superstars eine Sonderbehandlung, wenn sie festgenommen werden?

Als der Mundartsänger Bernd Dittl und das Naabtal-Duo nach dieser Schießerei beim Sommerfest der Volksmusik festgenommen wurden - Dittl hatte Gummibärchen in die Menge geworfen, es wurde herumgeballert, drei Personen erlitten Verletzungen -, traf ich spätnachts ein. Dittl saß schon in der Vernehmung. Ich ging in die Zelle zum Naabtal-Duo. Und was sah ich? Beide mit den Handschellen oben an den Gitterstangen festgemacht, die Arme gestreckt, in ihren teuren handbestickten Trachtenanzügen. Ich habe sie selbstverständlich sofort losgemacht. So kann man niemanden behandeln.

Der Schmuck der volkstümlichen Musikanten scheint die meisten Probleme zu bereiten.

Definitiv. Edelweißdiebstahl ist ein großes Thema. Manche Musiker rufen sogar im Radio dazu auf, einem rivalisierenden Star sein Edelweiß zu stehlen.

Wusste eigentlich jeder in der Volksmusikszene, dass Sie der Stadl-Cop waren?

Nein, ich fiel nicht besonders auf mit meiner Hirschledernen und dem Gamsbart. Viele hielten mich für einen Talentsucher, weil ich so oft im Stadl herumhing. Eigentlich wollte das Münchner Polizeipräsidium meine Existenz verschweigen.

Was ist passiert?

Meine Enttarnung war ein Unfall: Ich hatte ein Dossier über die Stadl-Szene angelegt, ein Buch mit mehr als tausend Seiten, darin waren alle vorbestraften Musiker notiert. Es wurde auch an andere Polizeibehörden weitergegeben. Eine Journalistin erfuhr zufällig davon und veröffentlichte Auszüge. Danach brach ein Sturm über uns herein: Menschenrechtsorganisationen schalteten sich ein, die Presse tobte, ich stand im Kreuzfeuer.

Wie reagierte die Szene?

Ich war der Sündenbock und kam plötzlich in vielen Songs vor: Die Wildecker Herzbuben schrieben ein Stück über die Stadl-Polizei, und auch Hansi Hinterseer sang über mich: Der Stadl-Cop gehe um. Zum Glück hat sich die Aufregung heute längst wieder gelegt.

Albert Lobinger, wir danken Ihnen für das Gespräch.

INTERVIEW: RÜDIGER KIND

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