Kurt Beck: Das Dickschiff mit Kohl im Gepäck

SPD-Chef Kurt Beck reist auf seiner Sommertour gegen die Untergangsstimmung seiner Partei an. Manche Genossen erinnert das an einen anderen Pfälzer.

"Ich will meinen Vorsitzenden nicht verdecken": Hamburger SPD-Bürgermeisterkandidat Naumann mit Parteichef Beck Bild: dpa

Wer hat nur diese Sommerreisen der Politiker erfunden? Da fährt ein Mann wie Kurt Beck in vier Tagen in vier Länder, reist durch Hamburg, Niedersachsen, Hessen und Thüringen, besucht Häfen, Werkhallen und Wahlkampfzentralen, spricht mit Managern, Betriebsräten, Bürgern, Genossen, interessiert sich für automatisch verstellbare Hubschrauberlandeplätze auf schweineteuren Luxusjachten und für die ideale Brenntemperatur von Biomasse, diskutiert über den Facharbeitermangel in großen Unternehmen, die Zukunft dörflicher Gemeinschaften und die Bedeutung des Ehrenamtes, und am Ende tja, am Ende, da geht es doch wieder nur um ihn. Kurt Beck. Den SPD-Vorsitzenden und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten, den die meisten Journalisten für einen Provinzdeppen halten. Also steht an jedem zweiten Tag in irgendeiner Zeitung dieses Landes, dass Beck ein Provinzdepp sei. Der und Kanzler? Niemals.

Becks Sommerreise ist für genau diese Journalisten gemacht. Sie sollen Beck näherkommen, ihn besser verstehen, sich mit seinem politischen Programm der nächsten Monate vertraut machen. Sie sollen lernen, ihn irgendwie zu mögen. Dafür dürfen sie mit ihm zusammen im Bus durch die Republik fahren, ihn überallhin begleiten, ihm alle Fragen stellen. Sie tragen den gleichen lächerlichen weißen Helm wie er. Es ist ein riskantes Spiel. Beide Seiten wissen das.

Im Trockendock 11 der Hamburger Werft Blohm + Voss stehen Michael Naumann, der SPD-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl im Februar 2008, und Kurt Beck vor einem riesigen Containerfrachter. Die Fotografen dirigieren die beiden vor die riesige Schiffsschraube. "Rücken Sie doch bitte näher zusammen", rufen sie. "Ich will meinen Vorsitzenden nicht verdecken", sagt Naumann und rückt näher an seinen Vorsitzenden heran.

"Keine Angst, über solchen Sachen stehe ich längst drüber", antwortet Beck.

"Ich sehe schon die Überschriften vor mir", sagt Naumann. "Dickschiff Beck von einer leichten Naumann verdrängt."

In der Sommerpause hatte Beck ein bisschen Ruhe. Mit seiner Frau Roswitha ist er in den Urlaub gefahren, an die Mosel. Mit dem Rad sind sie den Fluss entlanggefahren, bis zu 90 Kilometer am Tag. Der Montag dieser Woche ist Becks erster Arbeitstag.

Die Umfrageergebnisse seiner Partei sind noch ein bisschen schlechter als vor dem Urlaub. Die SPD ist wieder auf ihr Rekordtief von 24 Prozent gefallen. Auf die Frage, welche Partei am ehesten Anwalt des kleinen Mannes sei, antworten mittlerweile nur noch 26 Prozent mit "SPD". Die Linkspartei liegt mit 25 Prozent gleichauf. Beck muss auf seiner Sommerreise Zuversicht verströmen. Es muss seinen Genossen Mut machen, dass auch wieder bessere Zeiten kommen. Im Oktober ist Parteitag. Dort beschließen sie ein neues Grundsatzprogramm und wählen eine neue Parteiführung. Anfang 2008 sind Wahlen in Hamburg, Niedersachsen und Hessen. Das Ziel: von Beust, Wulff oder Koch stürzen, mindestens einen der starken CDU-Ministerpräsidenten. Dann kann die Partei wieder an sich selbst glauben.

Die schlechten Umfragewerte für die SPD und ihren potenziellen Kanzlerkandidaten? "Umfragen interessieren mich nicht", sagt Beck. "Kaffeesatzkram." Der SPD-Chef verteidigt seine Sicht auf die Dinge. Fragt man ihn nach dem Sinn seiner Sommerreise, antwortet er: "Ich will mit Menschen ins Gespräch kommen. Ich möchte meinen Horizont erweitern."

Beck weiß, dass ihm das keiner abkauft. Als er die erste Station seiner Reise hinter sich lässt und am Montagabend von Hamburg nach Hannover fährt, vermeldet Spiegel Online schon sein vernichtendes Abschlussurteil über die Tour. Es ist als Bericht getarnt, die Überschrift lautet "König Kurt ganz klein".

Beck fährt weiter Bus, redet, schüttelt Hände. "Die SPD verfolgt einen klaren Kurs", sagt er. Die Zuhörer denken noch "Welchen Kurs?", da erklärt Beck, was er meint: keine populären Versprechen wie die "Illusionisten" von links, keine Politik über die Köpfe der Menschen hinweg wie die "Neoliberalen" von rechts. Mindestlohn. Keine Studiengebühren. Ausnahmen bei der Rente mit 67. Alles mit Augenmaß.

In Hamburg hatten die Journalisten vom ehemaligen Journalisten Michael Naumann wissen wollen, ob ein Politiker mit einem so verheerenden Image wie Kurt Beck Kanzler werden könne. "Aber hallo", hatte Naumann da geantwortet. "Ich sage nur 'Helmut Kohl'."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.