Simbabwe: In einem Land, wo es nichts mehr gibt

Unterwegs in Simbabwe im Zustand des Zusammenbruchs: In der Kleinstadt Beitbridge an der Grenze zu Südafrika sind Läden und Tankstellen leer, die Straßen dunkel.

Vielleicht will wer Regale kaufen? Leerer Supermarkt in Harare. Bild: ap

"Taxi, Taxi, Madam!" Der Fahrer des uralten, hellblauen Datsun winkt. Der verbeulte Oldtimer steht sauber geputzt an einer staubigen Straßenecke. Sechs Kollegen mit ähnlich alten Karossen parken neben ihm und sitzen gelangweilt an ihren Autos herum. Das Geschäft um den Fahrpreis geht los: 200.000 Simbabwe-Dollar - aber das ist nur rund ein Euro. Die Währung in Simbabwe ist fast gar nichts mehr wert, und der Verfall geht täglich weiter. Die Wagen stehen an einer heruntergekommen Tankstelle ohne Schriftzug. Nur die einsame Zapfsäule erinnert an die Zeit, als in Simbabwe noch Benzin floss. Taxifahrer Clinton Nyandoro kauft seinen Sprit in Musina ein, dem südafrikanischen Grenzort gegenüber vom simbabwischen Beitbridge am Limpopo-Fluss.

Beim heute beginnenden Jahresgipfel der Regionalorganisation des südlichen Afrika SADC (Southern Africa Development Community) in Sambia wird die Krise in Simbabwe das Hauptthema sein. Auf einem SADC-Sondergipfel im März war Südafrikas Präsident Thabo Mbeki beauftragt worden, bis zum aktuellen Gipfel ein Konzept für den Umgang mit Simbabwe vorzulegen. Nach ersten Berichten wird Mbeki, der bisher internationalen Druck auf Simbabwes Präsident Robert Mugabe ablehnt, bei seiner bisherigen Linie bleiben.

Die Meinung der Bevölkerung von Simbabwe wird dabei keine Rolle spielen. Gestern wurde eine zum Gipfel angereiste Gruppe von 60 zivilgesellschaftlichen Aktivisten aus Simbabwe von Sambias Polizei festgenommen. Laut Berichten beschlagnahmte die Polizei eine Dokumentation über staatliche Gewalt in Simbabwe, die die Aktivisten den SADC-Staatschefs übergeben wollten. D.J.

Das Auto holpert über die Schlaglöcher der ungeteerten, sandigen Straße. Im Anbruch der Dunkelheit sieht die Grenzstadt Beitbridge noch trostloser aus als sonst, denn es gibt kaum Licht. Eine spartanisch ausgestattete Drogerie hat wenig zu bieten, die Farben auf dem Babyöl sind längst verblasst, die Preise zu teuer. Ein paar Tabletten in grauen Packungen liegen vereinzelt in den schmalen Holzregalen, doch die meisten Fächer sind leer. Der Verkäufer ist freundlich und wundert sich, dass jemand seinen Laden besucht.

Beitbridge ist klein, Geschäfte gibt es nur vereinzelt. Im Vergleich zum blühenden, etwa gleichgroßen Musina auf der südafrikanischen Seite ist der Anblick frustrierend. In einem winzigen Geschäft neben der Drogerie gibt es nur einen Drehständer, auf dem in riesigen Abständen veraltete Blusen auf Bügeln hängen.

In einem kleinen Supermarkt ist es menschenleer, und leer sind auch die Regale. Nur Tomatensoße und reihenweise Dosen mit Poliermittel für Schuhe und Fußböden stapeln sich. Auch diese übrig gebliebenen Poliermittel mit der Aufschrift "Sunbeam" kosten, je nach Größe, zwischen 150.000 und 500.000 "Sim-Dollar". Das Neonlicht an der Decke beleuchtet ungefüllte Drahtständer. Niemand kauft etwas. Und niemand dort will, dass ein Foto den Mangelzustand festhält. Bei der Weiterfahrt taucht ein neues Einkaufszentrum der südafrikanischen Kette "Spar" auf, doch auch das ist eher mager bestückt.

Clinton Nyandoro lebt in Dulibadzimu, der "Location" - besser gesagt, der Township von Beitbridge. In der Wohnsiedlung gibt es manchmal sogar Strom und Wasser. "Wir haben kein Brot", fällt dem 29-jährigen Taxifahrer unterwegs ein. Er hält an der riesigen Busstation. Dort laufen Menschen auf und ab, kaum zu erkennen in den wenigen Lichtern und dem Staub. Alte Busse werden himmelhoch mit geschnürten Paketen und jenseits der Grenze in Südafrika gekauften Produkte beladen, bevor sie ihre Fahrt im Dunkeln in alle Richtungen von Simbabwe antreten. "Diesel für Busse gibt es noch", erklärt der junge Taxifahrer. Ein Lastwagen versperrt den Weg; die chinesischen Buchstaben auf seiner Verkleidung erinnern an die Beziehungen der simbabwischen Regierung mit der Wirtschaftsmacht China, die Kredite für die bankrotte Regierung Mugabe gibt.

"Eigentlich haben wir nichts", meint Nyandoro. Es gibt nicht mehr viele Kunden in Beitbridge. Also wird gehandelt und gehökert, der Schwarzmarkt blüht. Die Stadt hat regen Grenzverkehr. Lastwagen transportieren Güter aus Südafrika durch Simbabwe weiter nach Malawi oder Sambia und in umgekehrte Richtung nach Südafrika, häufig auch zum Verladehafen Durban am Indischen Ozean. Aber die Bewohner von Beitbridge haben kein Einkommen. Selbst der Duty-free-Laden an der Grenze bleibt geschlossen.

Clinton fährt auch noch am Casino vorbei, dessen Benutzung Gäste und Touristen früher mit einem Besuch im dortigen Hotel verbanden. Heute liegt Müll in den Sandkuhlen am Eingang, die Farbe blättert. Innen werfen drei alte Männer Münzen in billige Slotmaschinen in düsterer Siebzigerjahreeinrichtung.

"Wir haben aber bald Wahlen", sagt Clinton und weist auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen im März 2008 hin. Auf die Frage "Kann sich da was tun?" grinst er verlegen, aber Hoffnung keimt auf. "Er wird dieses Mal scheitern", meint der Taxifahrer. "Er" bedeutet Präsident Robert Mugabe.

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