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KommentarDie Öffentlichkeit als Geisel

Kommentar von Nicola Liebert

Der Staat wird schon helfen, wenn die riskanten Spekulationsgeschäfte schiefgehen, denken sich die Privatbanker. Ein solches Verhalten schreit nach nationalen Regularien für den Finanzmarkt.

Too big to fail" - zu groß, als dass eine Pleite zugelassen werden könnte. Die deutschen Banken verlassen sich offenbar voll und ganz auf diesen Status. Mit riskanten Spekulationsgeschäften lassen sich viel höhere Gewinne erzielen als mit klassischen Bankgeschäften und konservativen Anlagen. Allerdings auch viel höhere Verluste. Aber egal: Wenns schiefgeht, werden schon der Staat und die übrigen Banken einspringen. Zu groß ist ihr Interesse, eine Finanzkrise zu vermeiden, die alle in Mitleidenschaft ziehen würde. Auf diese Weise nehmen die zockenden Banker die gesamte Öffentlichkeit gewissermaßen als Geisel.

Und das mit Erfolg. Erst sprang die KfW-Bank, hinter der niemand anderes als die öffentliche Hand steht, mit einer Notfall-Kreditlinie von 8,1 Milliarden Euro ein, als sich die IKB-Bank auf dem Markt für gering besicherte und damit hoch riskante US-Hypotheken verspekuliert hatte. Nun stehen die öffentlich-rechtlichen Sparkassen der Landesbank Sachsen mit bis zu 17,3 Milliarden Euro bei. Das Land Sachsen stellt sich als Bürge dahinter - für eine Summe, die den gesamten Jahreshaushalt des Freistaats übertrifft. Die Finanzaufsichtsbehörde lehnt sich erleichtert zurück, weil alles so schön reibungslos wieder ins Lot gebracht wurde.

Aber ist es wirklich die vornehmste Aufgabe von öffentlichen Finanzinstituten und der öffentlichen Hand, Spekulanten jederzeit unter die Arme zu greifen - ohne irgendwelche Gegenforderungen? Zu keinem Zeitpunkt waren strengere Auflagen im Gespräch, etwa dass die Banken künftig ihre riskanten Deals wenigstens nicht mehr über ausländische Zweckgesellschaften abwickeln, außerhalb der Kontrolle der deutschen Finanzaufseher. Das Signal, das solche schnellen und bedingungslosen Milliardenhilfen den Banken vermitteln: Macht nur weiter wie bisher, macht Profite auf eigene Rechnung und Verluste auf öffentliche!

Dabei wäre der Staat gut beraten, sich verstärkt Gedanken zu machen, wie die offensichtlich außer Kontrolle geratenen Finanzinstitute wieder unter nationale Fittiche gebracht werden können. Damit ihre Verluste nicht eines Tages zu groß werden, als dass die öffentliche Hand eine Finanzkrise noch verhindern könnte.

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3 Kommentare

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  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Der Blick, den die Kreditmarktkrise auf die Machtverhältnisse erlaubt, zeigt 'Die Welt als Herrschaftsgebiet des tyrannischen Wachstumzwang-Regimes' und die Zentralbanken als HIWI dieses Tyrannen.

     

    Das Bild des taz-Kommentators von der 'Geiselnahme der Öffentlichkeit' trifft die dramatische Wahrheit der globalen Herrschaftsverhältnisse, die sich in der Kreditkrise zeigen, bei weitem nicht. Denn nur wenige Wissende fühlen sich als Geisel genommen und hoffen auf Befreiung. Alle anderen unterstützen die Tyrannei des Wachstumzwang-Regime nach ihre Kräften - und das blind.

     

    Näher an die Dramatik der wahren Machtverhältnisse und -Interessen kommt der FAZ-Kommentator von heute, wenn er die us-amerikanische Notenbank als 'Flächenbrandleger' erkennt. Aber auch dieses Prozessbild 'Von der Feuerwehr zum Flächenbrandleger' muß globalisiert und dramatisiert werden.

     

    Zum Kommentar von Mitherausgeber, Holger Steltzner, 'Das Dilemma der Notenbank' in der heutigen FAZ habe ich den folgenden FAZ.Net-Leserkommentar gepostet.

     

    Unter der Überschrift "Das Dilemma der 'Tyrannei des Wachstumszwang-Regimes'" schreibe ich dort:

     

    'Wer nach dem Auslöser der Finanzkrise forscht, erhält eine beunruhigende Antwort: Es könne sein, dass die Feuerwehr den Flächenbrand an den Finanzmärkten selbst gelegt habe.' - so Herr Steltzner.

     

    Meine Forschung ergab, dass die Zentralbanken nur die globalsten HIWIs des Wachstumszwang-Regimes sind. Dieses Regime plant immer riskantere, wachstumgenerierende Innovationen - als Steuerungsinstrumente oder Investitionen - und zwingt alle Institutionen in Wirtschaft und Politik, diese zu installieren. Was die 'innovativen Kreditprodukte' in den USA sind, sind in Bayern die Transrapidstrecke zum Freisinger Flughafen und in Deutschland die weltmeisterlich hohen Bruttoarbeitskosten - um nur zwei Beispiele zu nennen.

     

    Das Wachstumszwang-Regime kann gar nicht anders als mit immer neuen, noch raffiniert-gewagteren Innovationen das nächste Crashrisiko für den weltindustriellen Fortschrittsprozess zu installieren. Was früher die politische Vorbereitung auf den nächste Krieg war, ist heute die Planung der nächsten, wachstumgenerierende Innovation.

     

    Die demokratischen Instanzen sind realiter von einer Ordnungsmacht zu Flächenbrandlegern im Dienste des Wachstumzwang-Regimes geworden.

     

    Angela, befreie uns von diesen Machtverhältnissen! "

     

    (Ende des Zitats)

     

    Die wachstumbremsende Globalwirkung der us-amerikanische Kreditkrise könnte für Angela Merkel das hinreichende Signal, den Exodus aus der Wachstumzwang-Tyrannei auf die Tagesordnung der deutschen Diskussion zu setzen.

     

    Mit der Klimaschutzpolitik und den Erkenntnissen über die öko-soziale Umfinanzierungs-Option für staatliche und soziale Leistungen, deren Kern ein energie- und sachkapitalsteuerfinanziertes, dynamisch wachsendes Grundeinkommen ist, das an die Stelle der Flächentariflohnerhöhungen tritt, hat Angela Merkel die hinreichenden Macht- und Diskussioninstrumente in der Hand, um die deutsche Produktions- und Lebensstil-Revolution zu starten, die uns den Weg in die evolutionsprozess-logisch folgende Weltordnung des Schöpferischen freisprengt.

     

    Nichts ist mächtiger als ein Erkenntnisstand über den Start eines Exodusprojekts aus einer Tyrannei-in-der-Krise, deren produktive Zeit schon längst abgelaufen ist.

  • F
    Fralad

    "Dabei wäre der Staat gut beraten, sich verstärkt Gedanken zu machen, wie die offensichtlich außer Kontrolle geratenen Finanzinstitute wieder unter nationale Fittiche gebracht werden können."

     

    Wie stark das Interesse des Staates an derlei Maßnahmen ist, kann man unmittelbar und leicht folgender Website entnehmen.

     

    http://www.keine-lobbyisten-in-ministerien.de/index.php/Bundesverband_Investment_und_Asset_Management_%28BVI%29

  • A
    ALSTER

    Müssten Politiker Ihre Versäumnisse aus der eigenenen Tasche bezahlen und würden sie für Ihre Schlafmützigkeit zur Verantwortung gezogen würden Sie ein besseres Bild abgeben. Die warten immer so lange bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, um dann mit der Schwachmatie aufzuwarten 'Ich übernehme die volle Verantwortung'. Vorher hatte man genug Zeit für Verantwotung zu tragen. Die Verantwortung die Politiker am Ende übernehmen müssen Andere ausbaden. Ihre Zukunft ist gesichert, da sorgen Sie schon früh genug vor.