Interview: "Sender bremsen Kreative"
Die Ufa feiert heute ihren 90. Geburtstag - doch wie geht es der Branche jenseits der Jubelfeiern? Fernsehexperte Dieter Anschlag sagt, es fehle ihr an Mut.
taz: Herr Anschlag, Sie beobachten seit Jahren die deutsche TV-Produktionsszene. Die Ufa ist hier eine der größten Firmen und bietet von "Light Entertainment" und Reality-Soaps bis zum großen TV-Event das komplette Programm. Sind solche großen Einheiten in der digitalen Zukunft noch zeitgemäß?
Dieter Anschlag: Tatsächlich dürften sie sogar besonders zeitgemäß sein, und zwar im Sinne der Profitabilität. Im digitalen Zeitalter müssen die Angebote maßgerechter denn je sein. Also: Je mehr ein Haus zu bieten hat, desto mehr kann es verkaufen und verdienen. Natürlich wird durch Megaunternehmen automatisch deren Marktmacht größer. Und Monopole oder Oligopole waren der Vielfalt noch nie förderlich.
Ein Vorwurf lautet, bei großen Einheiten bestimmten nur noch die Controller und die Kreativität bleibe auf der Strecke. Stimmt das?
Das Problem ist eher, dass in Deutschland die Produzenten seit Jahrzehnten eine besonders schwache Stellung haben. Die Starken, das sind die Sender, seien es nun die öffentlich-rechtlichen oder die privaten. Sie haben das Geld und handeln nach der Devise: Wer die Musik bezahlt, bestimmt die Melodie. Insofern sitzen die Kreativitätsbremser weniger bei den Produktionsfirmen als vielmehr in den Sendern: Sie halten die Produzenten aus finanziellen und programmpolitischen Gründen an der kurzen Leine und lassen ihnen kaum Spielräume.
Gibt es so etwas wie den Ufa-Stil, der sich in allen Produktionen wiederfindet?
Das Jahr 1917. Das Kino war jung, der Krieg rumorte, und die Ufa wurde gegründet. Generalstabschef Erich Ludendorff befand, der deutsche Film müsse dazu beitragen, dass der Sieg an Deutschland gehe. Und so gründeten das Deutsche Reich und die Deutsche Bank die "Universum-Film Aktiengesellschaft". Ein Mythos war geboren.
Es entstanden Fritz Langs "Metropolis" und "Die Feuerzangenbowle", "Die Drei von der Tankstelle" und der "Blaue Engel" mit Marlene Dietrich. Die Ufa verkörpert bis heute die Glanzzeit des deutschen Films. Heute ist die Ufa - mittlerweile eigentlich mit Versalien geschrieben - vor allem die größte deutsche Produktionsfirma und produziert im Grunde alles weg, was so herumliegt. Sie gehört zur Bertelsmann AG, hat sechs Töchter, darunter Teamworx. Und nun ist sie 90 Jahre alt. Sie feiert in diesen Tagen - sich, den Mythos. Einen Mythos auf manchmal doch erstaunlichen Wegen.
Es gab vielleicht Anfang bis Mitte des vorigen Jahrhunderts, während der großen Zeit des Kinos, so etwas wie den edel-glamourösen Ufa-Stil. Heute gibt es den Ufa-Stil eher von der Unternehmensführung her. Man muss Ufa-Chef Wolf Bauer attestieren, ein cleverer Manager zu sein, der diese Traditionsmarke sehr erfolgreich diversifiziert hat. Der Stil auf dem Bildschirm findet sich, wenn überhaupt, eher bei den Tochterfirmen der Ufa. So hat etwa Teamworx den "TV-Event"-Stil geprägt: großer Historienfilm wie "Dresden", mit Dreiecksliebesgeschichte und Millionenpublikumsgarantie. Aber von stilistischen TV-Highlights, wie es etwa die US-Serien "Desperate Housewives" oder "24" sind, ist hierzulande nicht nur die Ufa meilenweit entfernt. Ich würde mir da mehr Mut und Selbstvertrauen bei Produzenten und Sendern wünschen.
Produktionsfirmen arbeiten heute ja fast immer sowohl für private wie öffentlich-rechtliche Sender. Werden sich die Programme auch deswegen immer ähnlicher?
Leider ja. Abgesehen von manch herausragendem Produkt bei den Krimireihen gibt es nur noch zwei explizite Nischen, wo das öffentlich-rechtliche Fernsehen filmisch etwas wagt: mittwochs um 20.15 Uhr im Ersten und montags um 20.15 Uhr im Zweiten mit dem "Fernsehfilm der Woche". Die Privaten setzen Akzente im Comedy-Bereich und beschränken sich auf Event-Filme, die man an einer Hand abzählen kann.
Wie geht es den deutschen Produktionsfirmen fünf Jahre nach der großen Krise? Gab es tatsächlich so viele Pleiten wie vorhergesagt?
Es gab weniger Pleiten als vielmehr Aufkäufe, zum Teil auch durch Finanzinvestoren. Tatsächlich litten ja schon vor der Krise viele Produktionsfirmen an Unterfinanzierung. Insofern lag eine Verschlankung der Branche in der Natur der Sache. Dass es deutsche Produktionsfirmen im Moment schwerer haben, liegt außerdem an dem nun schon sehr lange anhaltenden Boom amerikanischer Produktionen. Solange US-Serien wie derzeit "CSI" oder "Lost" erfolgreich sind, werden die Sender sie einkaufen. Das ist schlicht preiswerter, als teure eigene deutsche Produktionen in Auftrag zu geben. Wenn das Interesse an US-Importen nachlässt, und dafür gibt es bereits erste Anzeichen, dürfte es den deutschen Produzenten wieder besser gehen.
Die großen Produzenten, auch Ufa-Chef Wolf Bauer, fordern seit einem Jahrzehnt neue Spielregeln zwischen Produzenten und Sendern, was die Verwertung der Senderechte angeht. Warum passiert da nichts?
Zum einen, weil die Produzenten sich offenbar immer noch mehr als Konkurrenten statt als Kollegen verstehen. Sie haben noch nicht begriffen, dass gemeinsame Interessen nur durchsetzbar sind, wenn Einigkeit die Stärke dazu schafft. Zum anderen, weil Medienpolitiker blind sind für die wichtige Rolle der Produzenten und sich, etwa beim Urheberrecht, nicht für die Kreativen einsetzen. Die Politik könnte die Stellung der Produzenten mit drei, vier kleinen Maßnahmen wirkungsvoll stärken, ohne dass es die Sender umbringen würde. Offensichtlich aber fehlen den Produzenten die Ansprechpartner in der hohen Politik.
INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG
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