Wehrpflicht: Kirche für Freiwilligenarmee

Die Hannoversche Landesbischöfin Käßmann hat die fehlende Wehrgerechtigkeit in Deutschland beklagt. Die Wehrpflicht gehöre deshalb abgeschaftt.

"De facto keine Wehrpflicht mehr": Bundeswehrsoldaten bei feierlichem Gelöbnis Bild: dpa

HANNOVER taz Mit Margot Käßmann hat erstmals eine Bischöfin die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht verlangt. Käßmann, die zugleich Präsidentin der Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer (KDV) ist, präsentierte gestern in Hannover ein Schwarzbuch Wehrpflicht. "De facto gibt es in Deutschland keine allgemeine Wehrpflicht mehr", konstatierte die Bischöfin und verlangte, "den Weg zur Abschaffung der Wehrpflicht zu Ende zu gehen".

Zwar würden von 430.000 jungen Männern eines Jahrgangs derzeit nur noch 65.000 für den Wehrdienst gebraucht. Dennoch behindere und beende die Wehrpflicht weiter Berufsbiografien, entscheide die drohende Einberufung über Arbeitsplätze, Ausbildungsgänge oder auch darüber, ob Fachkräfte ins Ausland abwanderten.

"Die Zukunft liegt in der Freiwilligkeit, in einer Freiwilligenarmee und in einem freiwilligen Zivildienst", betonte die Bischöfin. Der Vorschlag der SPD, die Wehrpflicht zunächst auszusetzen, sei nur ein Schritt in die richtige Richtung. Nach Auffassung von Käßmann gibt es "zurzeit keine Wehrgerechtigkeit in Deutschland". Mittlerweile gebe es pro Jahrgang mehr Zivildienst- als Wehrdienstleistende. Eigentlich solle aber der Wehrdienst die Regel und der Zivildienst ein Ersatzdienst sein.

Nach Käßmanns Angaben werden derzeit etwa 80.000 junge Männer eines Jahrgangs schon gar nicht mehr gemustert. Nur noch 54 Prozent werden bei der Musterung als tauglich eingestuft, weil die Tauglichkeitskriterien wiederholt verschärft wurden. Nur durch dieses doppelte Konstrukt könne man überhaupt noch an der juristisch notwendigen Fiktion festhalten, mehr als die Hälfte der tauglich Gemusterten werde zur Bundeswehr einberufen.

Das Schwarzbuch Wehrpflicht widerlegt jedoch die Fiktion ein gerechten Verteilung der Wehrpflichtlasten. An 99 Beispielen zeigt es, dass bei der vom Wehrdienst betroffenen Minderheit Ausbildung und Arbeitsplatz bedroht sind und häufig auch verloren gehen. Leider sei "Untauglichkeit der beste Arbeitsplatzschutz", sagte Käßmann. In den Augen der Bischöfin lässt sich die Wehrpflicht auch mit der Nachfrage nach Zivildienstleisten keineswegs begründen. Die Wohlfahrtsverbände hätten sich längst auf ein Ende der Wehrpflicht eingestellt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.