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Kolumne ÖkosexAngenehme Fahrt, liebe "FAZ"

Das variable Ökosex-Tempolimit versöhnt Umwelt und Autokultur: Wer weniger CO2 ausstößt, darf schneller fahren.

privat

Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. ER liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.

Der deutsche Motorjournalismus muss zum TÜV. Das hatte Ökosex vor vierzehn Tagen gefordert. Aus gegebenem Anlass muss ich heute darauf zurückkommen. Ist es doch die kulturelle Blockade, die uns im Autobereich den Weg ins Nirvana der solaren Effizienzrevolution verstellt.

Um klarzumachen, was ich meine, zitierte ich einen Beitrag aus FAZ.net: "Der Durchschnittsverbrauch von 15,9 Liter Super Plus ist angesichts der Fahrleistungen zu tolerieren, der Tank erscheint mit 75 Liter Volumen aber knapp", schreibt Wolfgang Peters da über den neuen Audi R8. Denken Sie über diesen Satz mal nach. Er sagt uns, dass dieser R8 offenbar eine lächerliche Schüssel mit absurd hoher Motorleistung ist. Ein Rennwagen, der auf einer normalen Straße nix verloren hat. FAZ.net ist anderer Meinung: "Der Hersteller verspricht 301 km/h, wir hatten keine Gelegenheit, diese Angabe zu prüfen. Aber die Art und Weise, wie der R8 jenseits von 260 oder 270 km/h beschleunigte, lassen keinen Zweifel zu." Und nun kommt es: "Als recht angenehme Reisegeschwindigkeit darf man 230 bis 240 km/h einplanen, damit kommt man auf freier Strecke sehr zügig voran, und weder Fahrzeug noch Fahrer sind überfordert."

Ich habe das zu Hause den Kindern vorgelesen. Das Gelächter war groß. 230km/h. Angenehme Reisegeschwindigkeit! Ich fahre - wie öfter erwähnt - mit dem Ökosexmobil immer 117km/h. Wenn da also so ein FAZ-Tester mit jenseits von 260km/h auffährt, dann wirds für meine Kinder eng. Das ist eine komplett sachliche Überlegung und hat mit Moral nichts zu tun. Wir wären alle mausetot, und das wäre einfach unangenehm. Und beim Begräbnis würden die Autokritiker im Familienkreis nochmals darauf hinweisen, sie hätten ja schon immer gesagt, dass mein Kleinwagen mit Blick auf die Kinder kriminell unsicher sei. Es stimmt: In einem VW Touareg hätten wir mehr Überlebenschancen gehabt, aber da sieht man wieder, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.

Warum erzähle ich das? Weil ich darauf hinweisen möchte, dass Journalisten mitverantwortlich dafür sind, dass komplett idiotische Autos gekauft und gebaut werden. Weil sie immer noch die größten PS-Bolzen hochjubeln und dem Wahn keine Argumente in Sachen Ökologie und Verkehrssicherheit entgegensetzen. Lest deutsche Qualitätszeitungen, aber betrachtet die Autoseiten als Humorbeilage, sage ich deshalb zu meinen Kindern. Das ist traurig.

Jetzt zu meinem spektakulären Vorschlag in Sachen Tempolimit. Ökosex ist prinzipiell für ein Tempolimit von 117km/h. Das ist mit den Deutschen allerdings nicht zu machen, weil es eine ungerade Zahl ist. Tatsächlich habe ich auch Zweifel, ob ein Tempolimit von 130km/h oder hohe Steuern für Spritschlucker tatsächlich zu einer kleineren Wagenflotte führen würde. Auch in Maastricht, meiner tempolimitierten Heimat, kommen die Väter zum Training der F-Jugend mit dem dicken Volvo, obwohl der auch steuerlich extrem teuer ist. Die imaginäre Potenz spielt hier tiefenpsychologisch eine wesentliche Rolle. Deshalb braucht es einen echten Anreiz, um Wagen unter 130 g/ km CO2 zu kaufen. Die Ökosex-Formel heißt daher: "Unter 130 über 130".

Das bedeutet: In Deutschland wird ein Tempolimit eingeführt von 130km/h, allerdings nur für Autos mit mehr als 130 g/km CO2. Das heißt: Die großen Spritschleudern müssen schleichen, mit sparsamen Autos darf man rasen. Das ist der psychologische Hammer. Wer ein Auto mit 120 g/km CO2 fährt, der darf 150km/h fahren. Mit 100 g/km CO2 darf es schon 170 km/h sein. Und wenn die FAZ weiter brettern möchte? Kann sie mein Ökosexmobil (50g/km CO2) ausleihen. Ich werde mich mit damit konsequent an die Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h halten. Also her mit dem Ökosex-Tempolimit, und ich prognostiziere: So schnell kannste gar nicht gucken, wie die Deutschen ihre Schluckspechte verkaufen.

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3 Kommentare

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  • JW
    Julius Weber

    Sehr geehrter Herr Spiegelburg,

     

    Von welcher Aufforstung reden Sie denn bitte? Es ist doch allgemein bekannt, dass viele der Waldbrände in Italien und Griechenland absichtlich ausgelöst werden, damit dort nach dem Ende der Brände gebaut werden kann. In diesem Fall geht es um die Verwandlung von Waldflächen in Industrie- und Wohngebiete, die auf dem Immobilienmarkt erheblich mehr wert besitzen.

    Ganz zu schweigen von der Abholzung der Regenwälder in Südamerika: Da wird auch ganz bestimmt keine Aufforstung betrieben. Da werden ganze Wälder abgeholzt, damit (völlig ineffizient, wie ich an dieser Stelle anmerken möchte) am gleichen Ort gentechnisch veränderter Mais der Firma Monsanto angepflanzt werden kann (der das durch die Brandrodung freigesetzte CO2 übrigens ganz und gar nicht wieder binden kann).

     

    Übrigens wird hier auch schlicht unterschlagen, dass der Kraftfahrzeugverkehr in Europa nur ca. 12% des CO2-Ausstoßes ausmacht.

     

    Und ganz abgesehen davon ist zum Beispiel Methan ein ca. 1000 mal stärkerer Klimakiller als Kohlenstoffdioxid. Aber auf die Idee, Kühe und Reis zu verbieten, die dieses Gas in Massen ausstoßen, ist bisher seltsamerweise noch niemand gekommen.

     

    Im Übrigen setze ich mich für ein Umsteigen von Mineralöl auf Biodiesel ein. Denn (und hier greift Ihre Argumentation von vorhin wieder) der Raps, den man braucht, um das notwendige Öl zu gewinnen, wäre wiederrum ein geschlossener Kohlenstoff-Kreislauf. Und ich bin sicher, dass es für einige Bauern äusserst rentabel wäre, statt Kartoffeln Raps anzubauen - der Platz wäre also kein Problem. Eher ein Problem ist die starke Lobby der Mineralölkonzerne...

     

     

    Mit freundlichen Grüßen,

     

     

    Julius Weber

     

    P.S.: Der Audi R8, um den es hier geht, hat nur 1,8 Tonnen und nicht 2,5. Viel sinnvoller halte ich verschärfte Auflagen für den Güterfernverkehr durch LKWs auf deutschen Autobahnen - solche Rußschleudern aus Litauen, die 9 Tonnen Gefahrgut transportieren und dabei die Bremskraft eines VW Golf haben sind eine erheblich größere Gefahr für die Umwelt als jeder Ferrari, wie ich finde...+

  • DF
    Dieter Frick

    Verdammt richtig!

    Ich will gar nicht schneller, ich glaube in meinen Papieren steht was von 160.

    Ich fahre einen Kleinwagen (sehr selten) und ich will gar nicht wissen wie schnell der fahren könnte.

    Für mich sind 130 km/h, bzw. 3000 u/min (was das selbe ist) das Limit.

  • JW
    Julius Weber

    Eine höchst interessante Kolumne, auch wenn ich Ihren Kernaussagen nicht ganz zustimmen kann.

    Angesichts des momentanen Zustands ist ein verstärktes eintreten für den Klimaschutz unumgänglich, das wird kaum jemand bestreiten; noch nicht einmal unsere US-amerikanischen Freunde.

     

    Andererseits ist es in gewisser Weise auch ungerecht, wenn Sie auf Sportwagen herumhacken. Solche Sportwagen machen nur einen verschwindend geringen Anteil auf Deutschlands Straßen aus, weil sie sich kaum jemand leisten kann.

     

    Abgesehen davon ist der Verkehr kaum einzudämmen. Andere CO2-Quellen hingegen schon: Zum Beispiel Waldbrände. Zwar existieren keine verlässlichen Zahlen, aber man kann davon ausgehen, dass eine Stunde Waldbrand in Griechenland oder Italien mehr CO2 in die Atmosphäre pumpt als alle Audi R8, Lamborghini Gallardo und Porsche Carrera 4s weltweit innerhalb von zwanzig Jahren. Insofern wäre es der Umwelt erheblich zuträglicher, wenn die EU für den Bedarf in ihren südlichen Mitgliedsländern einige Löschflugzeuge anschafft und diese im Bedarfsfall zur freien Verfügung stellt.

     

    Zudem kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die Industrie - gerade in China und den USA - ein bei weitem größerer Umweltverschmutzer ist als diejenigen unter uns, die ihre Leidenschaft bei den Sportwagen sehen.

     

    Und wenn Sie schon das Übel der Welt in Automobilen verkörpert sehen, dann bitte in den richtigen: Die neuen großen Geländewagen von Chrysler, Dodge, Mercedes, Audi, BMW und Porsche (der Cayenne) verbrauchen bei weitem mehr als die Sportwagen - einfach schon, weil das Gewicht größer ist.

     

    Insofern würde ich mir ein umdenken bei Ihnen wünschen. Verdammen Sie nicht Sportwagen wie den Audi R8, die in wohl kaum nennenswerten Stückzahlen verkauft werden und konzentrieren Sie sich stattdessen auf das wesentliche.

     

     

    Mit freundlichen Grüßen,

     

     

    Julius Weber