Debatte Stoiber-Nachfolge: Bayerische Weltpolitik

Egal wer Edmund Stoiber als CSU-Vorsitzender nachfolgen wird - an Kurs und Anspruch der Partei ändert sich nichts. Sie bleibt konservativ-populistisch und kruzifixfixiert.

Endlich steht der CSU-Machtwechsel bevor. Wer hat es nicht herbeigesehnt: das Ende dieses ständigen bayerischen Besserwissens und Bessermachens? Und wer hofft nicht, dass Bayern schon bald, nach der Ära des Politstrebers Edmund Stoiber, ein ganz normales Bundesland wird? Ein Land, in dem die Berge zwar besonders hoch und die Wölkchen am strahlend blauen Himmel besonders weiß sind, aber eben auch ein Land, das sich künftig mit konservativer Symbolpolitik à la Betreuungsgeld, Gesundheitsfonds, Wickelvolontariat und Kruzifixpflicht zurückhält.

Doch: Auch wenn 60 Prozent der Bundesbürger den Bedeutungsverlust der CSU wünschen und Politikwissenschaftler wie der Göttinger Peter Lösche ihn prophezeien - so wird es nicht kommen. Das bundespolitische Gewicht der CSU wird auch mit der jetzt kommenden Doppelspitze nicht abnehmen - selbst wenn die CSU noch eine Weile wie eine Hippie-Kommune wirken sollte, in der jeder vorschlagen kann, wonach ihm gerade ist.

Natürlich ist die Lage nicht einfach. Am Wochenende treten drei Bewerber für den CSU-Vorsitz an, die sich einander zuletzt das Leben recht schwer gemacht haben. Immer noch unglaublich ist die Wirkung der mutigen - wenn auch inzwischen ein wenig abgedrehten - CSU-Landrätin Gabriele Pauli. Und ebenso bemerkenswert ist der Sturz des ewigen Stoibers. Nicht durch Ableben, sondern durch die meuternde CSU-Landtagsfraktion. All das gab es noch nie in den 60 Jahren, in denen die CSU das 12-Millionen-Volk regiert.

Aber der Machtanspruch der CSU, an dem 170.000 Mitglieder arbeiten, ändert sich nicht. Weder mit Erwin Huber und Günther Beckstein, die Stoiber ablösen, der seit 1999 CSU-Chef war und seit 1993 bayerischer Ministerpräsident. Und auch nicht mit einem Parteichef Horst Seehofer. Wobei man diese Personalie einen Tag vor der Parteivorsitzendenwahl schon beinahe zu den Akten legen kann. Zum einen ist Seehofer grundsätzlich nicht Teil der Männerverschwörung Huber-Beckstein, die Stoiber im Januar gestürzt hat. Zum anderen hat Seehofer mit seinem außerfamiliären Nachwuchs seine Außenseiterchancen vertan, Beliebtheitsquoten beim Wahlvolk hin oder her.

Das Problem aller, die sich an der CSU reiben und sich weniger politische Querschüsse wünschen: Diese Regionalpartei will erklärtermaßen weit über die Freistaatsgrenzen hinaus strahlen und wirken. Kommunales, Bayern, Deutschland und Europa - so lautet seit den Zeiten des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß das Credo der Christsozialen.

Die Kommunalpolitiker wissen hierzulande überall, wie Politik in Berlin und Brüssel gemacht wird und legen Wert auf ein merkbares Schwenken der dort installierten weiß-blauen Fahnen. Andersherum vergisst kein christsozialer Europa- oder Bundespolitiker den Hinweis auf den Ursprung bayerischer Stärke in Brüssel oder Berlin: die absolute Mehrheit im Maximilianeum, dem bayerischen Landesparlament, und die Rolle des CSU-dominierten Freistaats als Stimmenhochburg der Union bei Bundestagswahlen.

Berechtigterweise lässt sich nun einwerfen, dass die beiden neuen Ober-Bayern Huber und Beckstein lediglich Landespolitiker sind, kein Amt in Berlin haben und deswegen ihre Strahlkraft leidet. In der Tat ist diese Situation neu für die CSU. Zwar gab es schon früher Doppelspitzen. Aber bei Franz Josef Strauß/Alfons Goppel und Theo Waigel/Edmund Stoiber war jeweils der Parteichef auch Bundesminister oder führender Oppositionspolitiker im Bundestag. Von der strategischen Logik wäre deswegen Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer der passende Tandempartner für Günther Beckstein. Das Parteischicksal will es jedoch anders.

Und zwar ganz anders: Erwin Huber möchte erst mal daheim in Bayern bleiben. Natürlich könnte der bayerische Wirtschaftsminister als Parteichef nach Berlin gehen - selbst sein Kontrahent Seehofer fordert das - und den blassen CSU-Bundeswirtschaftsminister Michael Glos ablösen. Aber Huber hat zwei bayerische Termine im Blick, deren Ausgang für das Selbstverständnis der CSU momentan wichtiger sind als eine massive Präsenz eines Parteichefs in Berlin: die Kommunalwahlen im März 2008 und die Landtagswahl im September 2008. Hier wird die Grundlage für künftige "machtvolle Politik" gelegt.

Läuft alles nach CSU-Plan und wird die Hegemonialherrschaft in Bayern gehalten, dann will Huber zur Bundestagswahl 2009 nach Berlin gehen. Aus CSU-Sicht taktisch nicht falsch. Denn immer noch gilt es die Anhängerschaft, die Mitglieder und die Mandatsträger zu beruhigen, die noch in Aufruhr sind durch Stoibers Autokratie, Paulis Eskapaden und die neue CSU-beinahe-Basisdemokratie.

Sollte Huber also vorerst in Bayern bleiben, arbeitet er bundespolitisch offiziell nur im Koalitionsausschuss mit. Aber genau wie Tandempartner Beckstein ist Huber eine Schlitzohrigkeit zu eigen, die annehmen lässt, dass sich Bayern auch in der sehr landespolitischen Konstellation wacker schlägt. Von Religion bis Familie - ein paar konservativ-populistische Leuchtturmthemen liegen stets bereit, vor allem in Zeiten einer liberal agierenden Kanzlerin. Und ohne Kabinettsdisziplin lassen sich solche Positionierungen sowieso viel öffentlichkeitswirksamer vornehmen. Dazu kommt Hubers Erfahrung. In den letzten 20 Jahren hat er bei allen Koalitionsrunden mitgeredet, die die Union eingegangen ist. Und im Gegensatz zu Stoiber ist sein Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel bestens. Sie wollte ihn 2005 sogar als Kanzleramtschef nach Berlin holen.

Bleibt die Frage, was sich ändert in Bayern und im Verhältnis zum Rest der Republik. Vor allem eines: die Kommunikation. Huber und Beckstein können und wollen im Gegensatz zu Stoiber zuhören und diskutieren. Zudem wird die kommunale CSU-Säule gestärkt. Anders als der Möchtegern-Weltpolitiker Stoiber ist Beckstein, der einmal Nürnberger OB-Kandidat war, seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik verankert. Die restliche Inhaltsarbeit wird wohl auch geteilt: Ordnungspolitisches wird Beckstein übernehmen, Wirtschaft, Arbeit und Finanzen vor allem Huber betreuen, der sich anders als Stoiber für eine baldige Steuersenkung stark macht.

Spannend wird die Frage nach dem "S". Die Sozialpolitik wäre nämlich Seehofers Feld gewesen. Huber gibt zwar mittlerweile den Allroundpolitiker, aber den Menschen in Bayern sind seine Aufräumarbeiten als Reformpolitiker noch in Erinnerung. Legendäre Sätze gab es da von dem Wirtschaftsliberalen: "Wer einen Teich trockenlegen will, darf die Frösche nicht fragen", meinte Huber vor wenigen Jahren mit Blick auf die Opfer der Stoiberschen Sparpolitik. Vielleicht kann man daran noch eine Änderung festmachen: Das bayerische Blöd-Daherreden bleibt, wird aber volksnäher. Ist doch irgendwie auch ein Fortschritt.

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