Korea: Misstrauisches Friedensbekenntnis

Zum Abschluss des Korea-Gipfels in Pjöngjang einigen sich Kim Jong Il und Roh Moo Hyun auf friedensschaffende Maßnahmen und vertiefte wirtschaftliche Beziehungen.

Kim Jong-il und Roh Moo-hyun in trautem Gespräch : dpa

Es war eine symbolische Geste, die Hoffnungen weckte und gleichzeitig an alte Misserfolge erinnerte: Mit einer gemeinsamen "Friedenserklärung" beendeten Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il und der südkoreanische Präsident Roh Moo Hyun gestern ihr dreitägiges Gipfeltreffen in Pjöngjang.

In dem Dokument verpflichten sich beide Regierungen, die nötigen Schritte zu tun, dass der Koreakrieg (1950-53) mit einem formalen Friedensvertrag beendet wird. Er soll den spannungsreichen Waffenstillstand ersetzen, der seit 54 Jahren gilt.

"Der Süden und der Norden erklären sich zur Zusammenarbeit bereit, damit die Führer der betroffenen Staaten auf der koreanischen Halbinsel zusammenkommen und das Ende des Krieges verkünden können", hieß es. Neben Nord- und Südkorea sind dies die damaligen Hauptkontrahenten China und USA.

Außerdem verabredeten Kim und Roh, dass sich die Premierminister und Verteidigungsminister beider Seiten regelmäßig treffen. Seit dem Krieg getrennte Familien sollen sich öfter als bisher begegnen dürfen. Durch die von hunderttausenden Soldaten auf beiden Seiten scharf bewachte "entmilitarisierte Zone" am 38. Breitengrad sollen künftig Waren aus Nordkoreas kapitalistischer Wirtschaftszone Kaesong per Bahn in den Süden transportiert werden. Zudem dürfen sich Fischer beider Koreas die Fanggründe an der umstrittenen Seegrenze teilen.

Der dreitägige Besuch des südkoreanischen Präsidenten warf ein deutliches Licht darauf, wie fremd sich beide Seiten sind. Sieben Jahre nach dem ersten Gipfel Kims mit Rohs Vorgänger Kim Dae Jung war dies erst die zweite Begegnung. Noch in Pjöngjang sprach Roh davon, dass die "Mauer", die das Land teile, nach wie vor hoch sei und das "Misstrauen" des Nordens groß.

Roh war offenkundig nicht mit allzu großen Erwartungen in den Norden gereist. Bis zuletzt konnte er sich nicht sicher sein, wie lange Nordkoreas "Großer Führer" Kim seinen Gast aus dem Süden überhaupt treffen würde.

Als der 65-jährige Kim den Südkoreaner, der mit seiner 300-köpfigen Delegation aus Politikern, Sicherheitsleuten, Journalisten und Geschäftsleuten auf dem Landweg nach Pjöngjang gekommen war, am Dienstagmittag vor dem Kulturpalast von Pjöngjang mit militärischen Ehren empfing, wirkte der Gastgeber mürrisch und abweisend.

Während die bestellten Jubelmassen Fähnchen und Plastikblumen schwangen und Freudenrufe ausstießen, marschierte ihr "Großer Führer" eisern schweigend neben Roh her.

Der Empfang war deutlich kühler als für Roh-Vorgänger Kim im Jahr 2000. Südkoreanische Diplomaten bemerkten, dass sogar Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao protokollarisch besser behandelt wurde als Landsmann Roh. Ein Beobachter in Seoul sagte: "Kim weiß, dass er ein Bettlerkönig ist." Er müsse versuchen, so viel wie möglich aus der Begegnung herauszuschlagen - ohne zuzugeben, dass er sein Land in den Boden gewirtschaftet habe.

Am zweiten Tag schien Kim aufzutauen: Er lächelte zuweilen und sprach insgesamt rund vier Stunden mit Roh. Er überraschte ihn vor laufenden Kameras mit der Aufforderung, noch einen Tag länger als geplant zu bleiben. Roh lehnte nach einem gereizten Wortgeplänkel ab.

Nur mit einem einzigen Satz erwähnten Nordkoreas "Großer Führer" Kim Jong Il und sein südkoreanischer Gast, Präsident Roh Moo Hyn in ihrer "Friedenserklärung" gestern den Streit über Pjöngjangs Atomprogramm: Norden und Süden wollten "sich gemeinsam um eine reibungslose Umsetzung" der Vereinbarungen bemühen, die zuvor bei den Pekinger Sechs-Länder-Gesprächen erreicht worden waren, hieß es. Erst am Tag zuvor hatten sich ihre Regierungen gemeinsam mit den USA, China, Japan und Russland auf einen Zeitplan geeinigt: Bis zum Jahresende sollen Pjöngjangs Militärs den bereits im Juli stillgelegten Fünf-Megawatt-Reaktor von Yongbyon "unbrauchbar" machen - zusammen mit zwei weiteren Apparaturen auf dem Gelände, die für die Umwandlung von Plutonium-Brennstäben in waffenfähiges Material genutzt werden können.

Außerdem willigte Nordkorea ein, bis zum 31. Dezember eine "komplette und korrekte" Liste aller Atomprogramme vorzulegen. Sie dürfen weiterhin weder Spaltmaterial noch Nukleartechnik und Know-how an andere Staaten weiterverkaufen.

Zuständig für die Überwachung beim Verschrotten des Yongbyon-Reaktors werden amerikanische Experten sein. Sie sollen bereits in den kommenden zwei Wochen nach Nordkorea reisen. Die USA übernehmen auch die Kosten für die Demontage. "Unbrauchbar" ist das in den Achtzigerjahren von den Sowjets gelieferte Atomkraftwerk nach Ansicht der USA, wenn die Nordkoreaner mindestens ein Jahr basteln müssten, um es wieder in Betrieb zu nehmen.

Bereits im Februar waren im Rahmen der Sechsergespräche Energielieferungen für Nordkorea verabredet worden. Seither hat Pjöngjang 100.000 Tonnen Öl erhalten. US-Präsident George W. Bush hatte vergangenen Freitag 25 Millionen Dollar für weitere Hilfe freigegeben.

Parallel zu den Abrüstungsschritten wollen die USA ihr Verhältnis zu Nordkorea verbessern und beide Länder "Schritte in Richtung auf volle diplomatische Beziehungen" gehen.

Die US-Regierung soll laut Vereinbarung auch ihre Handels- und Finanzsanktionen gegen Pjöngjang aufheben und grünes Licht für die Asiatische Entwicklungsbank oder die Weltbank geben, Kredite für die Reparatur und Erneuerung der maroden Kraftwerke, Stromleitungen, Schienen und Straßen zu geben.

Die heikle Frage, ob Nordkoreas Militär am Ende bereit sein wird, auf seine Atombomben zu verzichten, wird erst im neuen Jahr akut: Experten glauben, dass Pjöngjang bereits rund 50 Kilogramm waffenfähiges Plutonium besitzt. Die wären genug für acht bis zehn Bomben. Unklar ist auch, ob die Nordkoreaner wirklich, wie die USA seit fünf Jahren behaupten, ein zweites Nuklearprogramm auf der Basis von angereichertem Uran haben - und ob sie es deklarieren werden.

Ob und wie die "Friedenserklärung" mit Inhalt gefüllt wird, muss sich in den nächsten Monaten zeigen. Auch der erste innerkoreanische Gipfel war mit großen Hoffnungen zu Ende gegangen, die dann enttäuscht wurden. Am Ende testete das nordkoreanische Militär im vorigen Jahr seine Atombombe.

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