Tagung des Weltstahlverbands: Klimaschutz eine Frage der Moral

Theoretisch will die Stahlbranche die Erderwärmung reduzieren. Konkrete Ziele nennt sie allerdings nicht. Schuld ist wie immer China.

Chinas Stahlindustrie soll nach Verbandsangaben allein für 51 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen der Branche verantwortlich sein. Bild: ap

BERLIN taz Mit der Stahlindustrie will sich nun auch eine der energieintensivsten Branchen ihrer Verantwortung für das Klima stellen. Auf der Tagung des Weltstahlverbandes IISI in Berlin bezeichnete der Chef des indisch-anglo-niederländischen Stahlkonzerns Corus und des europäischen Stahlverbands Eurofer, Philippe Varin, Maßnahmen gegen die globale Erwärmung als "moralischen Imperativ".

Zu konkret soll es allerdings nicht werden. Auf eigene Ziele zum Abbau von Treibhausgasen will sich die Branche nicht festlegen. Und eine weitere Einschränkung machte Varin: "Die Politik sollte sich zuerst auf die Verbraucher und die Energieerzeuger konzentrieren." In Bereichen wie Wohnen und Verkehr seien die Kosten für die Emissionsverminderung niedriger und die Renditen für Investitionen viel höher als in der Industrie.

Einig sind sich die Stahlkocher in ihrer Kritik am europäischen System des Emissionshandels. Wenn die europäische Industrie ernsthaft für Emissionszertifikate zahlen müsse, erleide sie massive Wettbewerbsnachteile gegenüber der Konkurrenz aus dem Rest der Welt. Gemeint ist damit in erster Linie China, dessen Stahlindustrie nach Verbandsangaben allein für 51 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen der Branche verantwortlich sein soll.

Auf die chinesische Konkurrenz hat sich die hiesige Stahlindustrie ohnehin eingeschossen. Am Wochenende hatten mehrere Stahlkonzerne, darunter Thyssen-Krupp, eine Anti-Dumping-Beschwerde bei der EU angekündigt. Diese soll dann ein Verfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO) einleiten, das in Schutzzöllen enden könnte. Ein Drittel allen Stahls wird in China hergestellt und zu Preisen verkauft, die der Wirtschaftsvereinigung Stahl zufolge oft unter den Herstellungskosten liegen. Varin sagte gestern aber, über eine Klage sei noch nicht entschieden.

Zur Verminderung von Treibhausgasemissionen fordert der Weltstahlverband nun ein branchenspezifisches System, das China und andere große Stahlerzeuger wie Indien und Russland einbezieht. Die Industrie verspricht sich nebenher davon, selbst stärkeren und direkteren Einfluss auf die Reduktionsziele und die Menge der handelbaren Emissionszertifikate.

Dass sich die Stahlbranche so schwer tut mit konkreten Reduktionszielen, mag auch daran liegen, dass die Möglichkeiten der Energieeinsparung offenbar weitgehend ausgeschöpft sind. Seit den 1990-er Jahren ist der Energieverbrauch pro Tonne Stahl kaum noch gesunken. Der Leiter eines CO2-Forschungsprojekts des Weltstahlverbandes, Jean-Pierre Birat, machte keine Hoffnung auf einen schnellen technologischen Durchbruch. Seine Gruppe forscht an einer Kombination von Technologien wie dem verstärkten Einsatz von Erdgas und Biomasse, Elektrolyse und dem Recycling der Abgase, um den darin enthaltenen Kohlenstoff besser zu nutzen. Doch ohne die umstrittene Abscheidung von CO2 aus den Abgasen und anschließende Speicherung unter Tage sei eine Lösung überhaupt nicht denkbar.

Dass sich die Branche mit ihrer Verantwortung nach wie vor schwer tut, zeigte die anschließende Diskussion. So sei auch die Regenwaldzerstörung viel schlimmer fürs Klima, hieß es dort. Und daher solle man doch bitte erst mal dort mit dem Klimaschutz anfangen.

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