Hamburg gegen Stuttgart: Früher war alles besser

"Psychologisch wäre es gar nicht gut, auf die Mannschaft draufzuhauen": Meister Stuttgart geht in Hamburg 1:4 unter - für Trainer Veh kein Grund, die Elf zu verdammen.

HSV-Stürmer Zidan und VfB-Spieler Pardo Bild: dpa

Als der VfB Stuttgart am Ostersamstag dieses Jahres beim 4:2 in Hamburg einen glanzvollen Schritt Richtung Meisterschaft machte, bemerkte VfB-Coach Armin Veh ein bisschen gönnerhaft: "Der HSV spielt in der nächsten Saison oben mit." Damit hat er, was damals nicht unbedingt abzusehen war, Recht behalten. Dass sein VfB unten mitspielen würde, konnte er dagegen nicht ahnen.

Hamburger SV: Rost - Boateng, Reinhardt, Mathijsen, Atouba - Demel (71. Brecko), Kompany - Trochowski, Jarolim (77. Sam), Zidan - Olic (62. Choupo-Moting)

VfB Stuttgart: Schäfer - Hilbert (57. Perchthold), Tasci, Pisot, Osorio - Pardo - Khedira, Farnerud - Bastürk (86. Beck) - Gomez, Ewerthon (46. Meißner)

Schiedsrichter: Fleischer (Sigmertshausen) - Zuschauer: 57 000 (ausverkauft) Tore: 1:0 Olic (7.), 2:0 Olic (23.), 3:0 Olic (35.), 4:0 Mathijsen (60.), 4:1 Tasci (73.)

Gelbe Karten: Olic (2) / Perchthold (1), Hilbert (3)

Rote Karten: - / Pardo (45./grobe Unsportlichkeit)

Beste Spieler: Jarolim, Zidan, Olic / -

Am Sonnabend gab es die Revanche: Der Meister ging mit 1:4 unter und war damit noch bestens bedient. Der HSV hatte sich nach einer 3:0-Pausenführung darauf beschränkt, das Ergebnis zu verwalten. Von einer Blamage wollte Veh trotzdem nicht sprechen: "Das könnte man dann sagen, wenn die Spiele vorher für einen Deutschen Meister normal verlaufen wären." Weil sie aber überhaupt nicht normal verlaufen waren und seinen Spielern jegliches Selbstbewusstein fehlte, war das Spiel in Hamburg schon entschieden, nachdem Ivica Olic in der siebten Minute den ersten seiner drei Treffer erzielt hatte. "Das hat uns noch mehr runtergezogen", sagte Veh später.

Veh ist bewusst, dass Teile der Öffentlichkeit angesichts der langsam nahenden Abstiegsgefahr erwarten, dass er die Peitsche rausholt und hin und wieder in ein Mikrofon bölkt, ab sofort müsse Gras gefressen werden. Das widerstrebt Veh aber ebenso wie es in der letzten Saison Thomas Doll widerstrebte, als der sich mit dem HSV in einer ähnlichen Situation befand. "Wenn ich sagen könnte, der und der ist ein fauler Hund, dann müsste ich reagieren. Aber so ist es ja nicht. Die Spieler tun alles, um die Sache zu drehen", sagte Veh. Außerdem erlebe jeder Verein "alle zwei, drei Jahre so eine Krise".

Ein Ende des Notstands ist erst einmal nicht in Sicht. "Die Situation wird sich nicht grundlegend ändern, was die Personalien anbelangt", sagte Veh, der wie HSV-Kollege Huub Stevens über die Häufung von Muskelfaserrissen klagte. Allein wegen dieser Verletzung, die beide Trainer als eine Folge der Überbelastung sehen, fehlten ihnen jeweils drei Spieler: auf Seiten des HSV Rafael van der Vaart, Nigel de Jong und Guerrero, beim VfB da Silva, Ludovic Magnin und Ciprian Marica. Die Stuttgarter Personallage verschlechterte sich noch durch die Rote Karte, die Pavel Pardo kurz vor der Pause kassierte, weil er gegen den am Boden liegenden David Jarolim nachgetreten haben soll. Es sah auf den ersten Blick wie ein Vergehen aus, spätestens beim dritten Hinsehen aber so, als stochere Pardo schüchtern nach dem Ball, den er zu diesem Zeitpunkt gar nicht sehen konnte, weil Jarolim über dem Spielgerät lag.

Allemal kommt für den VfB das morgige Champions-League-Heimspiel gegen Olympique Lyon zur Unzeit - auch dieses Gefühl kennt der Hamburger SV aus der vergangenen Saison bestens. "In so ein Spiel musst du selbstbewusst reingehen, und das in ein paar Tagen hinzubekommen, ist schwierig", sagte Veh. Immerhin muss er keine Sondertraumata behandeln, weil seine Spieler die Fehler untereinander aufteilten. Roberto Hilbert verlor vor dem 0:1 den Ball im Mittelfeld, beim 0:2 behinderten sich Raphael Schäfer, Serdar Tasci und David Pisot, beim 0:3 sah Ricardo Osorio unglücklich aus, und beim 0:4 - der nicht sonderlich kopfballstarke Joris Mathijsen traf per Kopf - flog Schäfer unschön durch den Fünfmeterraum. Insgesamt fiel die Defensive nicht nur die mangelnde Abstimmung auf - Pisot machte in der Innenverteidigung sein erstes Bundesligaspiel, Mittelfeldmann Alexander Farnerud musste in der Not auf links verteidigen -, sondern auch durch Schläfrigkeit und Tolpatschigkeit.

Das größte Problem, das der HSV an diesem Tag zu bewältigen hatte, war überraschenderweise nicht der Ausfall von van der Vaart, sondern ein bedrohlich eingeknicktes Stahlseil auf dem Stadiondach. Es drohte eine Absage aus Sicherheitsgründen, doch mit zehnminütiger Verspätung entwickelt sich dann doch ein zumindest für HSV-Historiker unvergesslicher Nachmittag: Ivica Olic gelang der erste Hattrick in der Bundesligageschichte des Klubs. Huub Stevens, dessen Wertschätzung für den Kroaten sich sonst nicht immer allen Beobachtern erschließt, wollte ihn ausgerechnet nach dieser Tat nicht loben. Eine Erziehungsmaßnahme für die Journalisten. "Ihr wollt doch immer nur Einzelne hervorheben", raunzte er. Nur Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer lobte den kroatischen Nationalspieler, der unter der Woche für sein Nationalteam schon zweimal getroffen hatte. "Für Olic war das ein toller Tag."

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