Welle von "Pflege-Migranten": US-Rentner flüchten aus Florida

Floridas Rentner auf dem Marsch gen Norden. Doch viele US-Gemeinden sind auf eine alternde Bevölkerung nicht eingestellt.

Indoor-Gymnastik statt Palm Beach - viele Rentner haben genug vom sonnigen Florida und seinen Hurricanes. Bild: dpa

Zum ersten Mal seit den Zeiten der Depression in den 1930er Jahren wandern wieder mehr ältere US-Amerikaner gen Norden, statt in den sonnigen Süden der USA. Damit beginnt sich der stetige Rentner-Strom nach Florida oder Kalifornien umzukehren. "Die Gemeinden im Nordosten und im Mittleren Westen der USA ächzen unter der wachsenden Zahl an Rückkehrern über 75," sagt Sandy Markwood, Direktorin der Nationalen Vereinigung der Senioren-Gebietsagenturen. "Noch ist das ein neues Phänomen, aber der Strom wird in dem Maße wachsen, wie die Bevölkerung altert," prophezeit Markwood.

Virginia Halloran, 83, und ihr Mann Fred waren 1978 von Cape Cod im nördlichen Bundesstaat Massachussetts ins wärmere Florida gezogen. Nach dem Tod ihres Mannes 1995 beschloss Virginia Halloran, eine frühere Schulpsychologin, zunächst in Atlantis, Florida zu bleiben, nur wenige Kilometer südlich von Palm Beach. Doch nach Operationen an beiden Knieen und der zunehmenden Gefahr duch Hurricanes, wollte sie zurück nach Neu England. Genauer in ein Alterheim in Westwood, Massachussetts, dem Ort, in dem auch ihre Kinder und Enkel leben. „Ich fühle mich sicherer hier und es schien mir plötzlich alles einfacher, auch für meine Kinder,“ sagt Halloran.

Bereits vor zwei Jahrzehnten hatten US-Soziologen Rückzügler beobachtet, inklusive der sogenannten „Half-Backs“, derjenigen, die sich dann auf halber Strecke zwischen Süden und Norden niederließen. Neu ist hingegen, dass die Zahl der Rückzügler so schnell wächst. Zwischen 2000 und 2005 zogen bereits 121.000 von ihnen zurück in die nördlichen Bundesstaaten, während nur 87.000 Rentner in den Süden zogen. Wie die Zahlen des US-Statistikamtes zeigen, zogen im gleichen Zeitraum ein Jahrzehnt früher knapp 100.000 Rentner in den Süden – und nur 57.000 wieder zurück gen Norden.

Sharon Cofar betreibt in Coral Springs, Florida eine kleine Firma mit dem Namen “Ein leicht gemachter Schritt” - ein Umzugsunternehmen, das sich auf Alte spezialisiert hat. Cofar profitiert vom neuen Trend, vor allem seit dem die Hurrikanes Kathrina und Wilma vor zwei Jahren die US-Golfküste verwüstet haben. "Für die Angehörigen und Kinder war es sehr schwierig in dieser Situation Hilfe zu leisten. Und viele haben Angst, so etwas noch einmal erleben zu müssen", sagt sie.

William H. Frey, ein Demograph an der Washingtoner Brookings Institution, glaubt, dass nur ein Teil der Rückkehrer in Zukunft gerne wieder in ihrer alten Heimat gesehen wird. Im Norden werden sie längst "Pflege-Migranten" genannt, denn sie belasten zusehends die Sozialsysteme. Wer Geld hat, sei in den Gemeinden hoch hochwillkommen. Anders sehe es aber mit den verwitweteten, kranken Rückkehreren jenseits der 80 aus, sagt Frey. Gegenwärtig gebe es in den USA 10,7 Millionen Menschen die älter als 80 Jahre sind. "In knapp 15 Jahren könnten es schon 15,6 Millionen sein", rechnet Frey vor.

"Die meisten US-Kommunen, das zeigen unsere Erhebungen, sind auf eine schnell alternde Bevölkerung nicht eingestellt, gechweige denn, auf plötzlich vor der Tür stehende pflegebedürftige Rückkehrer," sagt Sandy Markwood. Es mangele an geeigneten Wohneinrichtungen, Transport und medizinischen Zentren. Das staatliche System sei jetzt schon an seine Grenzen gestoßen. Zum Glück, so Markwood, böten immer mehr Privatunternehmen ihre Dienste an: "Sonst gäbe es schon jetzt einen landesweiten Pflegenotstand."

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