Forschungsprojekt Gras-Sucht: Viel Rauch um junge Kiffer

Die Drogenberater stehen vor einer neuen Aufgabe: Cannabis kommt unter Jugendlichen in Mode. Nicht der gelegentliche Joint ist das Problem, sondern dass sich immer mehr ständig zudröhnen.

Kiffer mit offensichtlich übergroßem Problem: Hanfparade in Berlin Bild: AP

Das Forschungsprojekt ist europaweit einzigartig: Erstmals werden minderjährige Cannabisabhängige zusammen mit ihren Familienangehörigen therapiert. Das Zwischenergebnis des internationalen Projekts INCANT wurde am Donnerstag im "Therapieladen" in Schöneberg vorgestellt. An dem Programm nehmen in Berlin 60 Jugendliche teil. Ihr Problem ist nicht, dass sie ab und zu mal einen Joint rauchen. "Es geht um weit mehr als nur um ein Cannabisproblem", sagt der Diplompsychologe Peter Tossmann. Er ist Geschäftsführer des Berliner Forschungsinstituts Delphi, das die INCANT-Studie für Deutschland wissenschaftlich begleitet.

Die Diskussion über die Auswirkungen von Haschisch auf die Gesundheit flammt wieder auf. Im Rahmen einer international vergleichenden Studie lassen sich in Berlin 60 jugendliche Cannabisabhängige zusammen mit ihren Familien therapieren (Text oben). Insgesamt sei das liberale Klima in Bezug auf Hasch, das noch in den 90er-Jahren geherrscht habe, verschwunden, sagt Drogenberater Peter Tossmann. Heute sei man zwar weiter der Auffassung, dass Kiffen nicht unbedingt Probleme mache - es sei aber auch nicht per se ungefährlich, vor allem für Jugendliche.

Die Projektteilnehmer kennzeichne, so Tossmann, dass sie psychische Störungen, Ängste und Depressionen hätten und sich alles andere als sozial verhalten würden. Jeder zweite habe bereits vor einem Richter gestanden. "Solange sich diese Leute jeden Tag zwei Gramm Haschisch reinhauen, wird sich das nicht ändern".

INCANT steht für International Cannabis Need of Treatment. Neben Deutschland beteiligen sich Belgien, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz. Vorbild sind die USA. Dort würden schon länger entsprechende Behandlungsmethoden getestet, sagt Tossmann. Die Einrichtungen der Drogenhilfe hierzulande hätten sich bis vor kurzen vor allem auf Opiatabhängige konzentriert. Und das, obwohl der Cannabiskonsum von Jugendlichen so hoch sei wie nie zuvor.

Es geht nicht um diejenigen, die ab und zu mal einen Joint rauchen, betont auch eine Sprecherin der Landesdrogenbeauftragten. "Das Problem ist, dass wir immer mehr Meldungen von den Jugendlichen selbst bekommen, 'wir kiffen so viel, wir bekommen nichts mehr auf die Reihe'." In der Zeit von 2000 bis 2005 habe sich der Anteil der jugendlichen Haschischkonsumenten von 7 Prozent auf 14 Prozent verdoppelt. Und: "Die Zahlen steigen weiter." Die Drogenhilfe habe auf dieses Phänomen bereits reagiert, die bestehenden Projekte müssten aber weiterentwickelt werden.

Als Anbieter infrage kommen neben dem Therapieladen in erster Linie die über die Stadt verteilten 13 Drogenberatungsstellen. Vor allem das Projekt "realize it" stößt auf großes Interesse. Es richtet sich an junge Erwachsene, die im Durchschnitt etwa 23 Jahre alt sind. "Sie kommen alle freiwillig", sagt Tossmann, der in den 80er-Jahren selbst Drogenberater war und sich deshalb gut auskennt. "Realize it" ist kein Therapie-, sondern ein Beratungsprogramm mit fünf Einzelgesprächen und einer Gruppensitzung. Als Hilfestellung wird den Ratsuchenden aufgegeben, ein Tagebuch über ihre Kiffgewohnheiten zu schreiben. "Realize it" wird inzwischen von zwölf Drogenberatungsstellen angeboten, rund 120 Cannabiskonsumenten haben sich laut Tossmann bisher dort gemeldet.

Außerdem gibt es das Projekt "fred" - Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten. 98 Prozent der Ratsuchenden sind Cannabiskonsumenten. Auch "fred" setzt auf Kurzinterventionen mit dem Ziel, die Jugendlichen über ihr Verhalten zum Nachdenken zu bringen. Für Alkoholabhängige gibt es ein eigenes Projekt: "Halt" - hart am Limit. Ziel ist es, die Krankenhäuser dazu zu bringen, dass sie dem Projekt melden, wenn ein Jugendlicher volltrunken eingeliefert wird.

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