Machtwechsel in Berlin: Neue Chefin für jüdische Gemeinde

Die Liste Atid mit der Spitzenkandidatin Frida Süsskind räumt bei Wahlen zum Gemeindeparlament ab.

Süsskind wäre die erste Frau an der Spitze der Hauptstadtgemeinde. Bild: dpa

BERLIN taz In der größten jüdischen Gemeinde der Bundesrepublik hat sich ein Machtwechsel vollzogen. Bei den Wahlen zum Gemeindeparlament am Sonntag errang die Liste "Atid" mit der Spitzenkandidatin Frida ("Lala") Süsskind die absolute Mehrheit, wie Sonntagnacht klar wurde. Die 61-Jährige hat damit die besten Chancen, bei der ersten Sitzung des Parlaments im Januar zur neuen Gemeindechefin gewählt zu werden. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Hauptstadtgemeinde und löste damit den bisherigen Vorsitzenden Gideon Joffe (35) ab.

Die Liste "Atid" ist geprägt durch bekannte Persönlichkeiten der alten Jüdischen Gemeinde Westberlins: Zuwanderer aus den früheren Ostblockländern sind darin zwar vertreten, allerdings nur solche, die schon vor der großen Einwanderungswelle ab 1989/90 in die Bundesrepublik kamen. Die neuen russischsprachigen Zuwanderer, zu denen über 80 Prozent der Gemeindemitglieder gehören, wurden kaum gewählt. Bezeichnenderweise ist die Liste "Neue Namen", die ausschließlich aus Neuzuwanderern bestand, nur mit einem Sitz im 21-köpfigen Parlament vertreten. Die höchste Stimmenzahl vor Süsskind errang Alexander Brenner, der als Unabhängiger angetreten war und von 2001 bis 2004 als Vorsitzender der Gemeinde amtierte.

Nicht ins Gemeindeparlament gewählt wurde überraschend der Vizevorsitzende der Gemeinde, Arkadi Schneiderman. Er gilt noch als graue Eminenz der Gemeinde, zu der über 11.000 Menschen gehören. Auch von seiner Liste "Tachles" landete niemand im Parlament. Der Nochvorsitzende Joffe errang mit seiner Gruppe "Hillel" nur fünf Sitze. Er landete bei der Stimmenzahl auf Platz 17.

In einer ersten Reaktion zeigte sich Lala Süsskind hoch erfreut über das Ergebnis und meldete ihren Anspruch auf den Gemeindevorsitz an. Es gehe ihr nun erst einmal darum, die Gemeinde aus den "Negativschlagzeilen" zu bringen, in die sie in den vergangenen Jahren gekommen war, sagte sie der taz. Tatsächlich häuften sich in letzter Zeit die negativen Berichte über Streit und Missmanagement im Vorstand. Auch sie habe sich "schon geschämt, Mitglied dieser Gemeinde zu sein", sagte die Gemeindechefin in spe. Das Wahlprogramm von "Atid" sieht vor allem vor, die "Einheitsgemeinde" zu erhalten, das heißt zu erreichen, dass sich keine der neun Synagogengemeinschaften der Stadt abspaltet. Auch der Gemeindeetat, der ein Millionendefizit nachweist, soll wieder ins Lot gebracht werden.

Lala Süsskind wurde 1946 im oberschlesischen Reichenbach in Polen geboren und kam schon im Alter von einem Jahr mit ihrer Familie nach Berlin. Ihre Familie hatte die Schoah durch eine Flucht in die UdSSR überlebt, ihre Tante Lea war Partisanin und starb im Kampf gegen die deutschen Besatzer. Lala Süsskind machte 1966 ihr Abitur in Berlin und verbrachte ein halbes Jahr in einem Kibbuz in Israel, kehrte aber für ihr Studium der Soziologie und Publizistik an die Spree zurück. Wegen der Geburt ihrer zwei Kinder beendete sie ihr Studium nicht. Sie engagierte sich jahrelang für die jüdisch-zionistische Wohltätigkeitsorganisation Wizo (Womens International Zionist Organization), deren Bundeschefin sie von 1990 bis 2003 war.

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