Antrittsrede des neuen Chefs: Go East, Bertelsmann

Der neue Konzernchef Hartmut Ostrowski zitiert in seiner Antrittsrede die Pet Shop Boys. Er verordnet einen Paradigmenwechsel und Wachstum in Asien. Im Netz wird er nichts investieren.

Kein Bertelsmann 2.0. Dafür Expansion in Asien: Hartmut Ostrowski Bild: dpa

Together, We will go our way Together,

We will leave someday Together,

Your hand in my hands Together,

We will make our plans

Pet Shop Boys: "Go West"

Ach, es hätte können so schön sein: Hartmut Ostrowski, der unter einer grell beleuchteten Kopie der Freiheitsstatue die Becken zusammenschlägt. Dann wärs wie im legendären Video der Pet Shop Boys die im Himmel endende Treppe raufgegangen, wo der neue Bertelsmann-Chef in seiner ersten Rede vor den 600 versammelten Konzernmanagern eine satte News-Rakete gezündet hätte: "Google gekauft", oder noch besser: "Bertelsmann 3.0 gestartet!"

Doch ganz so aufregend wars nicht bei der Jungfernrede des zumindest statistisch wichtigsten deutschen Medienmanagers. Es war, ehrlich gesagt, sogar gar nicht aufregend. Nicht die Freiheitsstatue wurde bejubelt, sondern Bertelsmann-Patriarchin Liz Mohn. Ansonsten versuchte sich ein sichtlich nervöser Ostrowski als Kennedy aus Bielefeld: Demonstrativ ohne Krawatte, aber mit diversen Zitaten des US-Kultpräsidenten, schwor der neue Vorstandschef seine Bertelsmänner und -frauen auf sich und seinen Kurs ein. Und der heißt: weiter so!

Kaufen will man nichts, jedenfalls nicht viel. Wachsen will der Konzern natürlich schon, bis 2015 soll der Umsatz von heute gut 19 auf 30 Milliarden Euro pro Jahr gesteigert werden. Doch das soll ganz überwiegend aus sich heraus geschehen, organisch eben, so um die vier Prozent im Jahr. Für Akquisitionen gibt es wenig Spielraum. Bertelsmann ist als Familienunternehmen, das der konzerneigenen Stiftung und der über allem schwebenden Familie Mohn gehört, von den üblichen Börsenspielchen zur Geldbeschaffung ausgeschlossen. Vor der Presse spricht Ostrowski später vom "engen Korsett", in dem Bertelsmann aber gerne stecke: Zwar seien die Schulden am Limit, aber: "Wir sind als einzige unabhängig von den Risiken und Launen der Aktienmärkte". Und schlappe fünf bis sieben Investitionsmilliarden will man mittelfristig schon noch aufbringen.

Das Internet bleibt dabei weiter außen vor : "Ich sehe keine großen Investitionen in Internetaktivitäten", so Ostrowski - denn die seien eher zum Scheitern als zum Durchbruch verurteilt. Bertelsmann 2.0 bleibt also ungeliebte Vision, dafür soll, was aktuell wächst, weiter ausgebaut werden. Und das ist aktuell vor allem - Ostrowskis Avarto-Sparte, der Servicebereich der Bertelsmann AG. In Asien, vor allem Indien und China will man hier expandieren. "Wir müssen uns verändern", so Ostrowski, die alte Marke "Bertelsmann Media Worldwide" könnte demnächst "Bertelsmann Media and Services Worldwide" heißen. Das mag sich zunächst nicht nach viel anhören - bedeutet für den Medienkonzern aber einen echten Paradigmenwechsel.

Und genau den verkörpert der neue Mann. Ein Jahr hatte sich Ostrowski auf seine neue Rolle vorbereitet. Bertelsmann ist Weltkonzern, deshalb sprechen die Konzernchefs bei solchen Ereignissen Englisch. Ein bisschen holperte Ostrowski dabei, so dass üppig eingestreute amerikanisch-markige Sentenzen ("Selbstvertrauen - ja!, Selbstzufriedenheit - nein!") noch aufgesetzter wirkten. Im wirklichen Leben spricht der nüchterne Fußballfan aus Bielefeld anders. Und dass man bei der Rede des neuen Chefs auch klatschen und über seine Witze lachen darf, hatte den Anwesenden offenbar auch niemand gesagt.

Und dann zitiert der alte Stürmer Ostrowski - allen Stadion-Varianten zum Trotz - am Ende völlig ungerührt und ohne die Quelle zu nennen "Go West":

Together, We will take the lead Together

We will go for growth Together

We will create value for Bertelsmann!

Gesungen hat er leider nicht. Das übernahm Paul Pott, knödelnder Handyverkäufer und Bertelsmann-Entdeckung aus Wales. Der britische Sieger eines "Superstar"-Derivats schmetterte wie immer sein "Nessun Dorma". Die letzten Worte dieser Puccini-Arie könnten auch aus der Rede des neuen Konzernchefs Ostrowski gewesen sein: "Vincerò!" - Ich werde gewinnen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.