Wegen Kontakten zu Taliban: Afghanistan weist Diplomaten aus

Zwei Vertreter von EU und UN müssen das Land verlassen. Sie sind Opfer einer nicht abgestimmten Politik des Westens und Afghanistans Regierung gegenüber lokalen Taliban.

Kontakt zu Taliban? Reicht, um ausgewiesen zu werden - auch wenn man mit den Islamisten eindeutig nicht sympathisiert. : dpa

Afghanistan hat am Dienstag zwei Diplomaten der EU und der UNO ausgewiesen. Dem Iren und Briten wird vorgeworfen, Kontakte mit Taliban gehabt und damit "die nationale Sicherheit" gefährdet zu haben. Sie haben 48 Stunden, das Land zu verlassen. Beide waren gerade von einer Reise in die südliche Provinz Helmand zurückgekehrt. Dort hatten afghanische, britische und US-Soldaten am 9. Dezember die Kleinstadt Musa Qala den Taliban abgerungen. Sie ist einer der wichtigsten Opiumbasare des Landes, war die größte Ortschaft unter Taliban-Kontrolle und damit von hohem Symbolgehalt.

Die beiden Diplomaten, die zu den besten ausländischen Landeskennern gehören, hatten sich dort ein Bild von der neuen Lage machen wollen, wie es zu ihren Aufgaben gehört. Der Ire Michael Semple ist Vize-Sondergesandter der EU. Sein Büro versorgt Brüssel und die EU-Mitgliedsländer, deren Botschaften aus Sicherheitsgründen kaum außerhalb Kabuls agieren, mit Vor-Ort-Informationen und gilt als eine der bestinformierten Stellen in Kabul. Semple hatte Ende der 90er-Jahre die Versorgung der schiitischen Minderheit in Zentralafghanistan gegen eine Taliban-Blockade durch die UN organisiert. Sympathien mit den Islamisten kann man ihm also nicht nachsagen.

Ähnliches gilt für Mervyn Patterson. Der Nordire ist Berater der UN-Mission. Deren amtierender Chef, der Kanadier Christopher Alexander, hatte Anfang Dezember angekündigt, man werde vermehrt versuchen, aufständische Gruppen "wieder mit der Regierung in Verbindung zu bringen". Die Taliban bilden zwar den Kern der Aufständischen, aber im Süden haben sich Paschtunen-Stämme auf ihre Seite geschlagen, weil sie von Karsai-treuen Provinzstatthaltern ausgegrenzt werden. Insofern bieten sich örtliche Kontakte an.

Die Affäre um die Diplomaten zeigt das Fehlen einer abgestimmten Strategie des Umgangs mit den Aufständischen. Die US-Regierung lehnt jegliche Gespräche ab. Anfang 2007 brachte sie britische Versuche, in Musa Qala über Stammesvermittler ein örtliches Friedensabkommen zu erreichen, zu Fall. Ihre Militärs, aber auch europäische Nato-Generäle glauben nach wie vor, die Aufständischen militärisch besiegen zu können.

Gleichzeitig sandten sowohl Kabul als auch europäische Regierungen über die letzten Monate widersprüchliche Signale in der Frage aus, ob man mit Taliban sprechen solle, wenn, mit welchen und ob man dies bereits tue. Im September hatte Präsident Hamid Karsai die Debatte losgetreten, als er sagte, er würde auch direkt mit Taliban-Chef Mullah Muhammad Omar sprechen, wenn er nur dessen Adresse wüsste. Anfang Dezember machte Karsai eine Kehrtwendung: Solche Gespräche seien unmöglich, da Omar auf der UN-Sanktionsliste stehe.

Der britische Daily Telegraph berichtete nun, der MI6 habe "Geheimgespräche" mit Taliban geführt, 14 Tage nachdem Premier Gordon Brown das Gegenteil behauptet hatte. Das Blatt beschreibt die Gespräche als traditionelle Stammesversammlungen in Helmand, wo das britische Kontingent der Schutztruppe Isaf ist. Solche lokalen Ansätze, die keine Gespräche mit der Taliban-Führung Mullah Omars darstellen, sind der einzige Weg, um Aufständische mit legitimen Forderungen von den Terroristen zu trennen.

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