Kommentar zum Anschlag in Afghanistan: Die Taliban sind Medienexperten

Der Anschlag auf das einzige Luxushotel in Kabul ist extrem wirksam

Der Taliban-Überfall Montagabend auf das einzige Luxushotel Kabuls richtete sich gegen die Crème de la Crème der Unterstützer für Afghanistan. Während sich der durchschnittliche Entwicklungshelfer mit einem preiswerteren Gästehaus begnügt oder gleich im Büro übernachtet, verbarrikadierten sich hier bislang Topberater und Regierungsdelegationen.

Die medienbewusste Truppe Mullah Omars konnte erneut zeigen, dass sie überall zuschlagen und jeden treffen kann, selbst im Fitnessclub des besten und vermeintlich bestgesicherten Hotels der Hauptstadt. Sie weiß, dass so etwas mehr Schlagzeilen bringt als wochenlange Gefechte um Orte in der südafghanischen Halbwüste, deren Namen sich ohnehin niemand merken kann.

Diese Aktion ordnet sich nahtlos in ihre generelle Strategie ein, landesweit allen am Wiederaufbau beteiligten Akteuren - ob Ausländer oder Afghane, zivil oder dem Militär zugehörig - den Zugang zu ihren Klienten zu verwehren. In den ländlichen Gebieten ist das schon gelungen. Auf UN- und Nato-Karten leuchten inzwischen etwa zwei Drittel der 400 Distrikte gelb, orange oder rot: mittleres bis extremes Risiko. Fahren afghanische Entwicklungshelfer über Land, löschen sie alle Telefonnummern aus ihren Handys.

Das Hotel Serena, das wie eine exotische Luxus-Insel mitten im Kabuler Verkehrskollaps steht, ist auch ein Sinnbild für die übersteigerten Sicherheitsbedürfnisse, die das internationale Vorgehen in Afghanistan mehr und mehr prägen. Wer bisher ins Serena kam, wollte sich ein Bild vom Land machen. Tatsächlich bekam er aber vor allem dessen Betonbarrieren und bewaffnete Wachen zu sehen. Der Eindruck vom Land beschränkte sich auf Meetings mit Offiziellen und ein paar Straßen im Zentrum Kabuls, gesehen durch die getönten Scheiben gepanzerter Autos. Kontakt zur Normalbevölkerung und deren Alltag: null. Die Regionen von Normalität, die es auch in Afghanistan gibt, blieben unbesichtigt. In Zukunft werden es sich hochrangige Besucher nun dreimal überlegen, ob sie überhaupt noch kommen wollen. THOMAS RUTTIG

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