Davos-Kritiker "Public Eye": Nahrung oder Biosprit
Drei Konzerne hat die Davos-kritische Organisation "Public Eye" für ihren Negativpreis nominiert. Den Positivpreis könnte dieses Jahr eine deutsche Firma erhalten.
BERLIN taz Drei Konzerne hat die Davos-kritische Organisation "Public Eye" für ihren Negativpreis nominiert: das deutsche Unternehmen Bayer CropScience, die französische Energiefirma Areva und den philippinischen Ableger von Dole, dem US-Lebensmittelunternehmen. Aber es gibt auch einen Positivpreis: Den könnte dieses Jahr die deutsche Firma Hess Natur erhalten, die zu Arcandor (ehemals Karstadt) gehört.
Der wichtigste Vorwurf der Kritiker gegen Bayer CropScience: Die Firma entwickele "intensiv Saatgut und Pflanzenschutzmittel" für die "Agrotreibstoffpflanze Jatropha". Der großflächige Anbau dieser Pflanzen könne etwa in Indien künftig in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion treten. Die indische Bürgerrechtlerin Vandana Shiva hat eine Kampagne gegen Jatropha gestartet, weil sie befürchtet, dass große Unternehmen mit der Biosprit-Produktion Flächen belegen, die Kleinbauern brauchen, um dringend benötigte Grundnahrungsmittel zu erwirtschaften.
Die Samen der Jatropha-Pflanze bestehen zu mehr als 30 Prozent aus Öl. Das macht sie zum Lieferanten für Autotreibstoff. Ein Sprecher von Bayer CropScience bestätigte, dass die Firma die "Entwicklung und Registrierung von Pflanzenschutzmitteln" plant, "um den ökonomischen Anbau" von Jatropha "zu ermöglichen". Die Gefahr einer Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion bestehe allerdings nicht. Jatropha sei so genügsam, dass sie auch auf Böden wachse, wo Lebensmittel nicht gedeihen würden. "Der nachhaltige Anbau von Jatropha kann gerade auf so genannten Grenzertragsböden eine interessante Option für Landwirte sein", schreibt Bayer CropScience, "denn diese ertragsschwachen Flächen eignen sich nicht für den Anbau von Lebensmitteln".
Am Mittwoch will Public Eye verkünden, welches Unternehmen den Negativpreis bekommt. Der französische Energiekonzern Areva ist für diese Auszeichnung nominiert, weil die Firma den Bergarbeitern ihrer Uranmine im afrikanischen Staat Niger die Behandlung von Krebserkrankungen verweigere. Und der US-Lebensmittelkonzern Dole steht auf der Liste, weil er auf den Philippinen mehr als zehntausend ArbeiterInnen für "Hungerlohn" beschäftige. Die Beschäftigten, viele von ihnen Frauen, würden 4 Dollar pro Tag erhalten, wenn sie auf Dole-Plantagen Ananas pflückten. "Das ist die Hälfte dessen, was die philippinische Regierung als Existenzminimum bezeichnet", schreibt Public Eye.
Im Gegensatz dazu loben die Kritiker unter anderem das deutsche Unternehmen Hess Natur aus Butzbach. "Im Textilsortiment von Hess stammen 98 Prozent der Baumwolle aus kontrolliert ökologischem Anbau", heißt es bei Public Eye. Die Arbeitsbedingungen entsprächen den Vorschriften der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Unter anderem sichere die Firma zu, dass auch die Zulieferer existenzsichernde Löhne zahlten. Unlängst habe Hess Natur beschlossen, 2.000 Kleinbauern aus Burkina Faso biologisch angebaute Baumwolle zu langfristig sicheren Preisen abzunehmen. KOCH
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