die wahrheit: Frankfurter Allgemeine Marktlogik

Beim Frankfurter Allgemeinen Zentrum für Markt-Logik (FAZ-ML) weiß man es haargenau: Erst kommt die Theorie, dann die Praxis.

Hans D. Barbier, früher Chef-Praktiker beim FAZ-ML, jetzt Vorsitzender im marktheologischen Seminar "Ludwig-Erhard-Stiftung", deklinierte die der Markttheologie zugrunde liegende Theorie am 11. 1. 2008 wieder einmal durch: "Jede Buchung findet immer ihre Gegenbuchung" - oder etwas populärer gesagt: Lohn vernichtet Arbeitsplätze.

Ein etwas ungehobelter Scholar des FAZ-ML, der Bahnchef Hartmut Mehdorn, verlor jüngst einen Tarifkampf mit der Lokführergewerkschaft. Rein markttheologisch gesehen passen Gewerkschaften nicht in die Landschaft, denn sie fügen sich partout nicht in die Unterscheidung "zwischen Ökonomie und Politik" (Hans D. Barbier). Sie importieren das Unreine und die Sünde in die Marktkirche. Aber da Gewerkschaften nun mal da sind, muss man sie halt ab und zu reinlassen und mit ihnen reden und sogar schachern und schließlich Verträge abschließen. Mit den Ketzern, die das "Nirwana" (Hans D. Barbier) in Lohntüten und frei verfügbarer Zeit sehen wollen und nicht im Sakralraum des Marktes.

Scholar Mehdorn ließ also die gewerkschaftliche Ketzerbande rein in die Kirche. Und die Kerle gingen erst wieder raus, als sie einen Vertrag in der Tasche hatten. Das verzeiht er denen nie. Er rief den Chef-Theologen Barbier an, und der erinnerte ihn an die ehernen Glaubenssätze: "Hartmut, du musst jetzt vor den Altar treten und der Rüpelbande den Tarif durchsagen: Lohn vernichtet Arbeitsplätze." Das tat Mehdorn umgehend und drohte mit sofortigem "Stellenabbau" und der "Verlagerung von Arbeitsplätzen" ins ketzerfreie Ausland.

Aus der Portokasse hätte Mehdorn zwar die lumpigen 50 bis 70 Millionen Euro für die Lokführer zahlen können, denn seine Leute von der Bahn haben im vergangenen Jahr rund 2.500.000.000 Euro Gewinn erwirtschaftet - also 35 bis 50 Mal mehr. Damit hätte er sich aber in der Marktkirche blamiert und wäre wohl bald exkommuniziert worden. Denn Mehdorn will die 2,5 Milliarden Gewinn behalten - nicht gerade für sich und seine Kirche, aber für den Aufbau eines gigantischen Logistikkonzerns, der global auftritt zwischen der Mongolei und Haiti. Deshalb drohte der Prinzipienfeste den Bahnmitarbeitern mit "Stellenabbau" und den Bahnkunden mit Preiserhöhungen. Die Ersteren pochen auf ihre Verträge und die Letzteren darauf, dass die Preise erst jüngst gestiegen sind und die Züge weder zahlreicher noch pünktlicher geworden sind.

Mehdorn bezog Prügel von allen Seiten und rief ein zweites Mal beim Chef-Theologen Barbier an. Der sagte ihm: "Hartmut, pack den schweren Knüppel aus!" Und Mehdorn trat abermals vor den Profit-Altar und schwor, auf Dienstleistungen, Kunden, Fahrpläne, Mitarbeiter sofort zu verzichten und den Bahnkram nach Bulgarien und Sri Lanka und die Restkohle auf die Cayman-Inseln auszulagern. Nach ein paar Wochen schoss ihn sein Chef Tiefensee ab, und seither pflanzt Hartmut Mehdorn nicht Ananas in Alaska, sondern bastelt an einem Logistikkonzern auf dem Mond, wo die reine Lehre noch gilt.

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