Tennis: Australian Open: Ein Hauch von Muhammad Ali

Der französische Tennisprofi Jo-Wilfried Tsonga, zertrümmert das Bollwerk Rafael Nadal und stürmt ins Finale der Australian Open. Wer ist er?

Jo-Wilfried Tsonga: An wen erinnert Sie dieser Mann? Bild: picture alliance/dpa

Wohin passt ein solcher Coup besser als in ein Land, in dem die Sonne linksrum wandert und die Sichel des Mondes auf dem Rücken liegt? In weniger als zwei Stunden nahm Jo-Wilfried Tsonga, den die Welt vor zwei Wochen noch kaum kannte, im Halbfinale der Australian Open das Bollwerk des Rafael Nadal auseinander, gewann 6:2, 6:3, 6:2, und mit atemlosem Staunen sahen ihm 15.000 Leute in der Rod Laver Arena dabei zu. Sie trauten ihren Augen nicht, und Tsonga begriff es selbst nur mit Mühe. Nie zuvor im Leben habe er so gespielt, meinte er hinterher und fasste seinen Auftritt mit dem netten Satz zusammen: "Heute Abend war ich in Form."

Das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres ist für seine Querschläger bekannt. 2002 landete der Schwede Thomas Johansson überraschend im Finale, im Jahr darauf war es Rainer Schüttler, 2006 zog Marcos Baghdatis nach, und im vergangenen Jahr war Fernando Gonzalez der Mann aus dem Hintergrund.

Nach dem klaren Sieg vor zwei Tagen gegen den routinierten Russen Michail Juschni dachte man: Das hat er gut gemacht, der Jo-Wilfried, aber das wird es nun wohl gewesen sein. Schließlich ist Rafael Nadal nicht irgendwer, sondern seit zweieinhalb Jahren die Nummer zwei der Welt.

Als er den in der Kabine auf die bekannte Art hüpfen sah, dachte Tsonga gelassen: Hüpf du nur, dann bist du schneller müde. Nadal machte wie immer den Eindruck, als platze er vor Energie, aber es dauerte nicht lange, bis er alle Hände voll zu tun hatte mit dieser Partie. Der Franzose, Nummer 38 der Welt, brauchte keine zehn Minuten, um Ton und Tempo dieses Spiels zu bestimmen. Er hetzte Nadal von rechts nach links, schlug gewaltig auf, und vor allem spielte er Halbvolleys und Volleystopps, wie man sie sonst allenfalls bei Roger Federer sieht.

Zum Ende des ersten Satzes triefte schon der Schweiß aus Nadals Haaren, und in seinen Augen stand ganz deutlich die Frage: Verdammt noch mal, was macht der da drüben? Zu diesem Zeitpunkt war Tsonga in allen Belangen eine Macht, und alles Weitere schien nur noch davon abzuhängen, ob er irgendwann nervös werden würde. Eine Woge nach der anderen rollte auf Nadal zu, und der strampelte in der Gischt der Gefahr. Und selbst als er zu Beginn des dritten Satzes die erste und einzige Gelegenheit zu einem Break hatte, war Tsonga obenauf. Souverän hielt der sein Aufschlagspiel, nutzte den Frust des Spaniers zum entscheidenden Schlag und ging mit Break 2:1 in Führung. Das waren die Minuten, in denen Nadal wohl begriff, dass gegen diesen Mann an diesem Abend nichts zu machen war.

Nach einer Stunde und 57 Minuten schlug Jo-Wilfried Tsonga zum Matchgewinn auf, und das Ende passte zum Rest des Spiels. Nadal streckte sich vergeblich, der Ball landete außerhalb seiner Reichweite an der blauen Bande. Der Sieger stand ein paar Sekunden lang da, als hätte ihn der Schlag getroffen, dann kehrte er in die Realität zurück, tanzte und drehte sich vor Vergnügen.

Rafael Nadal war wie immer ein fairer Verlierer. "Besser zu spielen als er heute, das ist schwer", lobte er. "Ich hatte überhaupt keine Chance. Wenn er dieses Niveau im Finale hält, dann ist er nur schwer zu stoppen." Und das ist eine Aussage mit einigem Gewicht, denn im Finale am Sonntag wird Jo-Wilfried Tsonga schließlich entweder gegen Roger Federer spielen oder gegen Novak Djokovic.

Am Abend des Sieges gegen Rafael Nadal war Tsonga verständlicherweise mächtig stolz, auf eine sehr selbstbewusste, aber auch gefühlvolle Art. So kraftvoll und elegant wie viele seiner Schläge wirkte seine Antwort auf die Frage, ob er nach der Zeit der Verletzungen - unter anderem litt er unter einem Bandscheibenvorfall - nun eine größere Motivation im Training und im Spiel habe. "Motivation vielleicht nicht, aber mehr Vergnügen."

Bleibt jetzt nur noch die Frage, ob er sich tatsächlich zutraut, das Niveau seines grandiosen Auftritts gegen Rafael Nadal zu halten und wie einst Gustavo Kuerten bei den French Open 97 in Paris den ersten Titel der Karriere ausgerechnet in einem Grand-Slam-Finale zu gewinnen. Ohne zu zögern sagt er, doch, er traue sich noch so ein Spiel wie das gegen Nadal zu.

Recht hat er, denn wie meinte einst der große Muhammad Ali, mit dem Tsonga wegen einer unübersehbaren Ähnlichkeit gern verglichen wird? Ein Mann ohne Fantasie hat keine Flügel.

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