: Pflege auf Augenhöhe
DUALES STUDIUM Drei Monate Uni, drei Monate am Krankenbett – in Hamburg werden akademische Pflegekräfte ausgebildet. Das komplexe Gesundheitssystem schafft den Bedarf
Diese Hochschulen in Norddeutschland bieten ein akademisches Pflegestudium an:
Universität Bremen: Pflegewissenschaft (Bachelor und Master), Berufspädagogik Pflegewissenschaften (Master).
Hochschule Bremen: Pflege- und Gesundheitsmanagement (Bachelor).
Hochschule 21 Buxtehude: Pflege (dual, Bachelor).
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg: Pflege (dual, Bachelor), Pflegeentwicklung und Management (Master).
Fachhochschule Hannover: Pflege (Bachelor), Management und Bildungswissenschaften Pflege- und Gesundheitsberufe (Master).
Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel: Pflege im Praxisverbund.
VON BIRK GRÜLING
Carina Winkelmann hat sich bewusst gegen ein Medizinstudium entschieden. „Ich wollte stärker am Bett der Patienten arbeiten und das mit intensivem persönlichem Kontakt“, erklärt die 24-Jährige. Als Ärztin von Bett zu Bett zu eilen, könne sie sich nicht vorstellen. Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz als Krankenpflegerin stieß sie auf das duale Studium der Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) in Hamburg.
„Die Ausbildung und das achtsemestrige Studium laufen bei uns parallel“, erklärt Studiengangsleiterin Petra Weber. Die Absolventen bekommen ihr Examens- und Bachelorzeugnis zusammen ausgehändigt, so die Professorin. Der Studienalltag ist anders, denn alle Studierenden haben zugleich einen Ausbildungsvertrag mit dem Albertinen-Diakoniewerk oder dem Uni-Klinikum Eppendorf, die Kooperationspartner sind.
Die Studienzeit unterteilt sich in Praxis- und Studienphasen, immer im dreimonatigen Wechsel. Die klassischen Ausbildungsinhalte wie Anatomie, Krankheitslehre oder Pharmakologie werden an einer Pflegeschule unterrichtet. Die zusätzlichen wissenschaftlichen Inhalte wie Ethik, Sozialpolitik oder Pflegewissenschaften vermittelt die Hochschule. Ausgebildet wird dabei in Kinder-, Kranken- und Altenpflege zugleich.
Derzeit ist Winkelmann in ihrer Praxisphase auf einer Intensivstation, das bedeutet für sie einen normalen Klinikalltag mit Früh- und Spätschichten. „Ich habe einen Praxisbetreuer, der mir die Abläufe genau zeigt und mir Aufgaben gibt“, erzählt sie. Als Pflege-Studentin im siebten Semester steht sie kurz vorm Abschluss und wird entsprechend eingesetzt. So ist sie für eigene Patienten zuständig, versorgt sie und führt Gespräche mit Angehörigen. Auf die Frage, ob sie durch ihr zusätzliches Wissen anders pflege, überlegt sie und sagt dann: „Ich glaube, wir denken globaler über die Pflegeaufgaben nach und hinterfragen mehr Konzepte und Strukturen.“
Ein Schritt, den auch Weber für unabdingbar hält. Das Berufsbild müsse sich ändern, weg von einer reinen Ausführung der ärztlichen Anweisungen hin zu mehr Dialog auf Augenhöhe. Die spätere Rolle ihrer Absolventen sieht sie deshalb zwar direkt am Patienten, aber durchaus in einer gestaltenden Führungsposition.
Notwendig macht dieses Umdenken nach Expertensicht vor allem die Wandlung des Gesundheitswesens. Die Medizintechnik wird immer komplizierter, die Krankheitsbilder in der älter werdenden Gesellschaft immer komplexer. Die herkömmliche Ausbildung stößt dabei an ihre Grenzen. Da gilt eine Akademisierung der Pflegeberufe als mögliche Lösung auf der Suche nach breit ausgebildetem Personal.
Ein Modell, das sich in anderen Ländern wie den USA, in Skandinavien oder Großbritannien längst etabliert hat. „Die Vorteile einer verstärkten akademischen Ausbildung wären nicht nur eine bessere Vergleichbarkeit, sondern auch eine Verbesserung der Versorgungsqualität“, ist sich Weber sicher.
Zukünftig strebt man in Deutschland eine Quote von 20 Prozent Akademikern in der Pflege an, derzeitig ist der Anteil noch verschwindend gering. Entsprechend gefragt sind die Absolventen. Eine Erfahrung, die auch Winkelmann schon gemacht hat. „Ich habe einer onkologischen Station in Karlsruhe eine Mail geschrieben und mich nach einem möglichen Berufseinstieg erkundigt. Wenig später bekam ich schon eine Einladung zum Vorstellungsgespräch“, erzählt sie. Ihren späteren Arbeitsplatz kann sich die 24-Jährige wohl frei auswählen, Abstriche wird sie dagegen im Sachen Bezahlung machen müssen. Tariflich gibt es für die studierten Pflegekräfte noch keine Regelungen. Sie bekommen dasselbe Gehalt wie ihre nicht-akademischen Kollegen. „Das wird sich erst im Laufe der Entwicklung ändern. Bisher gibt es zu wenig Absolventen für eine eigene Gehaltsstaffelung mit leistungsgerechter Bezahlung“, erklärt Weber. Für Winkelmann ist das kein großes Problem. „Geld ist zweitrangig. Ich möchte eine sinnvolle Aufgabe haben, die mir Freude macht und bei der ich Menschen helfen kann.“
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