Die steile These: Ein Stalinist des Lebens

Was Venter für neu hält, ist weder neu noch ist es so toll: Josef Stalin und sein Genetiker Trofim Denissowitsch Lyssenko hatten Ähnliches vor.

J. Craig Venter, einer der Entzifferer des menschlichen DNA und Zurschausteller seines eigenen Genoms, ist es erstmals gelungen, das vollständige Genom eines lebensfähigen Organismus nachzubauen.

Im J. Craig Venter Center in Rockville, USA, dem privatwirtschaftlich geführten Biotechnologie-Unternehmen Venters, wurde in langjähriger Puzzlearbeit das Genom des Bakteriums Mycoplasma genitalium chemisch erzeugt und in fremden Zellen vermehrt. Auch wenn Mycoplasma genitalium nur das kleinste Genom aller bisher bekannten Lebewesen aufweist, gilt die chemische Rekonstruktion eines ganzen Bausatzes als Durchbruch in der Biotechnologie und wird dementsprechend medial begleitet.

Für Venter selbst dürfte die Rekonstruktion der 58.2070 Bausteine der DNA des Bakteriums nur einer kleiner Schritt auf dem Weg zu seinem großen Ziel sein, aus der Biologie eine Ingenieurswissenschaft zu machen. Die Natur und ihre Lebenserscheinungen haben für Venter nämlich allesamt den Nachteil, unzulänglich und damit gewissermaßen falsch zu sein.

Sein großes Ziel ist es, zukünftigen Menschen Genome von Bakterien, Pflanzen, Tieren und Menschen mit dem richtigen, dem - um Kant etwas abzuwandeln - sauber rein gewaschenen Design zur Verfügung zu stellen. Mit so von den Fehlern der zufälligen Naturproduktion gereinigten Lebenserscheinungen könne man, so verspricht Craig Venter, dann unter anderem Biokraftstoffe herstellen, die Entsorgung giftiger Abfälle meistern oder die Beseitigung des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid angehen.

Was Venter aber für neu hält, ist weder neu noch ist es so toll, wie es die notorisch unhistorischen Multiplikatoren biotechnologischer Errungenschaften in den Medien glauben machen wollen.

Josef Stalin und sein Genetiker, der Agraringenieur Trofim Denissowitsch Lyssenko, hatten Ähnliches vor. So wie für Stalin, für den etwa Schriftsteller zu "Ingenieuren der Seele" werden sollten, die Industrialisierung von allem und jedem der Schlüssel zum Glück war, so war für Lyssenko das Saatgut ein in seinen Händen beliebig formbarer Rohstoff. Es gibt nur einen wirklichen Unterschied zwischen Stalin-Lyssenko und Venter: Diesmal soll es nicht nur in einem Land gelingen.

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