die wahrheit: Irische Biere für Michi Rudolf

Im Vorwort zu seinem Buch "Die hundert besten Biere der Welt" schrieb Michi Rudolf: "Als weiteres Kriterium schien uns ihre Beschaffbarkeit angemessen.

"Ich musste lachen, als ich das wunderschöne gebundene Buch Anfang 2006 in den Händen hielt, denn an der Beschaffbarkeit war ich zum Teil beteiligt. Bei der Sammlung handelt es sich keineswegs um die "100 Biere, die uns irgendwelche Brauereien auf Anfrage kostenlos zugeschickt haben, um mit von der Partie zu sein", wie Michi an anderer Stelle im Vorwort beteuert.

O nein. Für die Beschaffung der Biere wurden Freunde und Bekannte in die Pflicht genommen. Mich traf es doppelt, da ich als Korrespondent nicht nur für Irland, sondern auch für Großbritannien zuständig bin. Michi war auf OHaras gestoßen, eine winzige Brauerei in der Grafschaft Carlow. OHaras Celtic Stout zu besorgen, war leichter als erwartet, denn in der Spezialitätenabteilung der lokalen Off-Licence - wie die Schnapsläden in Irland heißen - waren sie vorrätig. Nun musste ich sie nur zu Michi nach Greiz schaffen.

Kein Problem, dachte ich mir, ich würde ja in Kürze nach Berlin fliegen und könnte die Flaschen im Kühlschrank der Wahrheit-Redaktion der taz deponieren. Dort könnte Michi sie beim nächsten Berlin-Besuch abholen. Der Plan war gut, aber er ging schief. Die Biere überlebten keine drei Tage. Wegen des warmen Sommers wurden die Rechercheobjekte von den durstigen Redakteuren ausgetrunken.

Nun trat Plan B in Kraft. Ich hätte doch demnächst eine Lesung in Kassel, meinte Michi, und bei der würde ein Freund von ihm erscheinen. Dem sollte ich die Ersatzware geben, und er würde sie irgendwie nach Greiz befördern. Diesmal ging alles gut, und ich glaubte, meine Beschaffermitarbeit an dem Buch wäre damit beendet.

Weit gefehlt. Die nächste Aufgabe, die Michi mir stellte, erschien unlösbar. Marstons Pedigree Bitter sollte ich besorgen, ein Bier, von dem ich noch nie gehört hatte. Auf ihrer Website prahlt die Brauerei, dass sie "seit 1834 hochwertige Biere in Burton Upon Trent" braue. Ihr Pedigree Bitter werde noch in Eichenfässern gelagert. Das Bier wurde sogar zum "offiziellen Getränk des englischen Cricket-Teams" ernannt, was dem nichts nützte, weil es sogar gegen die ehemaligen Kolonien verlor.

Der einzige Nachteil: Die Brauerei verschickt ihre Erzeugnisse nicht an Privatkunden im Ausland, selbst wenn es dabei um ein Standardwerk über Biere geht. Es war zu spät, es an englische Freunde schicken zu lassen und sie zu bitten, es nach Greiz weiterzuleiten, denn der Redaktionsschluss drohte. Ich war bereit, aufzugeben, als ich in der westirischen Grafschaft Clare bei "OBriens" ein Bier trank. Da das Rauchverbot in öffentlichen Räumen gerade in Kraft getreten war, mussten wir mit unseren Kippen vor die Tür. So schaute ich zum ersten Mal auf das Schaufenster der Kneipe. Dort, in der Ecke, stand eine Flasche Marstons Pedigree Bitter. Nachdem der Wirt über die Dringlichkeit der Situation informiert worden war, schenkte er mir die Flasche. Die Danksagung am Ende von Michis Buch habe ich mir redlich verdient.

Vorgestern vor einem Jahr hat sich Michi im Wald bei Greiz das Leben genommen.

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kari

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