Demokraten vor dem Super-Tuesday: Authentizität gegen Erfahrung

Das Duell Obama gegen Clinton spitzt sich zu. Politisch ähneln sie sich, persönlich liegen Welten zwischen ihnen. Für Amerikas Liberale wären beide ein Segen.

Zwei, zwischen denen Welten liegen - Obama und Clinton. Bild: dpa

Er ist authentisch, sie ist professionell. Er ist unerfahren, sie weiß, wie die Dinge laufen. Er redet von Hoffnung, sie von 10-Punkte-Programmen. Er ist charismatisch, sie ist mehr was für den Kopf. Er ist schwarz, sie weiß. Ein Mann, eine Frau. Sowohl Hillary Clinton als auch Barack Obama wären ein Segen für das zutiefst frustrierte und verunsicherte Land - zumindest für dessen liberalen Teil. Dabei liegen als Menschen und Persönlichkeiten Welten zwischen ihnen. Was genau diese Welten ausmacht, damit befasst sich seit Wochen fieberhaft eine ganze Nation. Beide Politiker versetzen die Wählenden in eine beachtliche Aufregung, wie es noch vor wenigen Monaten kaum jemand für möglich gehalten hätte. Während Obama als Außenseiter und politischer Newcomer einen rasanten Sympathiezuwachs verzeichnen kann, profitiert Clinton seit Anbeginn des Wahlkampfes von ihrem hohen Bekanntheitsgrad als Ex-First Lady. Sie gilt allgemein als entschlossen, stark und ausgesprochen kompetent. Er als Visionär mit der lang ersehnten Fähigkeit, die durch die Bush-Administration gespaltene Nation einen zu können.

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Eine Debatte unter Demokraten, wer eher von beiden zu wählen sei, landet daher unweigerlich schnell bei wesentlichen Fragestellungen der Politik. Ist ein Neuanfang möglich? Oder benötigt es nach dem Bush-Desaster zunächst zuverläsige Handwerkskunst? Will man eine Neuauflage der Ära Bill und Hillary Clinton? Ist die USA reif für einen Präsidenten, der nicht weiß, aber inspirierend ist? Zahlreiche Kommentatoren bezeichnen diesen Wahlkampf wahlweise als ein Referendum über die 90er Jahre oder eine Wahl der Generationen. All dies sind Erklärungen dafür, weshalb dieser Wahlkampf so erfrischend auf die meisten US-Bürger wirkt, wie schon lange kein politischer Marathon mehr.

Zwischen den politischen Programmen von Hillary Clinton und Barack Obama gibt es allerdings nur minimale Unterschiede. Die, die es gibt, sind eher in technischen Details zu finden. Clinton gilt unangefochten als die Kompetentere, wenn es zum Thema Gesundheitsreform kommt. Sie hatte bereits 1994 während der Administration ihres Ehemannes, Bill Clinton, einen mißlungenen Versuch gestartet, das marode US-Gesundheitssystem zu reformieren. Beide Bewerber bieten ein umfassendes Konzept an, mit dem sie der großen Mehrheit der 47 Millionen unversicherten US-AmerikanerInnen zu einer zuverläsigen medizinischen Versorgung verhelfen wollen. Clinton setzt dabei auf eine allgemeine Versicherungspflicht, Obama auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Er will die Versicherungskosten so erschwinglich machen, dass es sich alle leisten können sollen, eine Versicherung abzuschließen. Beide wollen das Vorhaben finanzieren, indem sie die Steuersenkungen Präsident George W. Bushs, die 2010 auslaufen, zurücknehmen wollen.

Obamas großer Pluspunkt - und manchen ein Beweis seiner politischen Reife - ist sein konsequentes Nein zum Krieg gegen den Irak. Einem Angriffskrieg, dem Hillary Clinton als Senatorin zustimmte, was sie heute regelmäßig zu Rechtfertigungen zwingt. Clinton betont immer wieder, sie sei bereits am Tag eins eine ausgebildete Präsidentin, während Obama erst ein Training am Arbeitsplatz absolvieren müsse. Der Junior-Senator aus Illinois hingegen weist ebenso konsequent darauf hin, dass den zahllosen Politikern in Washington ihre Erfahrung nichts genutzt habe, denn sie hätten sich von der Bush-Administration in einen ungerechtfertigten und dummen Krieg tricksen lassen.

Entscheidend wird für beide Politiker sein, wen sie mit ihrer Persönlichkeit ansprechen - und wen nicht. Allen voran die Frauen. Vor allem ältere Frauen bescherten Clinton ihren wichtigen ersten Wahlsieg bei den Vorwahlen in New Hampshire. Obama hingegen ist der Mann, der Erstwählende und lange Zeit Nicht-Wählende anspricht. Beide Politiker sorgen im Demokratenlager so für überraschend hohe Wahlbeteiligungen. Während Clinton nicht so gut bei der jungen Generation abschneidet, gelingt es Obama kaum, die wichtigste Gruppe der Neuwähler, die Latinos und Hispanics, anzusprechen. Aufgrund eines konfliktreichen Verdrängungswettbewerbes zwischen Schwarzen und Latinos im Lande, bleiben die rund 20 Millionen wahlbrechtigter Latinos Obama gegenüber kritisch, weil er schwarz ist. Oder anders gesagt, Clinton war schneller dabei, die Liberalen unter ihnen, an sich zu binden.

Spannend ist die Frage, wem von beiden es gelingen wird, die Wählenden anzulocken, die der vergangene Woche ausgeschiedene Bewerber Senator John Edwards allein und ohne deutliche Empfehlung zurückgelassen hat. Sie könnten am Dienstag, vielleicht, das Zünglein an der Waage geben.

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