Kommentar Hamburg & Hessen: Tabubruch ohne Plan

Die Grünen stellen sich derzeit geschickt an, wenn es darum geht, sich neue Koalitionsoptionen zu erschließen. Im Umgang mit der Linken geht die SPD dagegen reichlich dämlich vor.

Wie man professionell Koalitionstabus bricht, kann sich die SPD in diesen Tagen von den Hamburger Grünen abschauen. Dort hat sich die Partei im Wahlkampf inhaltlich scharf von der CDU abgegrenzt und vom Kohlekraftwerk bis zur Schulpolitik glaubhaft die Unterschiede zwischen den beiden Parteien betont.

Ausdrücklich ausgeschlossen hat sie eine Koalition allerdings nie. Am Wahlabend sind dann selbst die eifrigsten Befürworter von Schwarz-Grün nicht in lauten Jubel ausgebrochen, sondern erst mal cool geblieben. Das war taktisch klug. Es stärkt die Verhandlungsposition gegenüber der CDU. Und es erhöht die Chance, die eigene Basis schrittweise auf diesem Weg mitnehmen zu können.

Die SPD hat es in Hessen genau andersherum gemacht. Seit Kurt Becks Schwenk beim Arbeitslosengeld ist sie der Linkspartei programmatisch immer näher gerückt - so nahe, dass die Unterschiede zwischen den sozialpolitischen Forderungen der Anti-Hartz-Partei Die Linke und der Post-Hartz-Partei SPD nicht mehr leicht auszumachen waren.

Gleichwohl haben die Sozialdemokraten vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch ausgeschlossen. Doch dann war Parteichef Kurt Beck von dem möglichen Coup mit einer rot-rot-grünen Zufallsmehrheit in Hessen so angetan, dass er den Plan vor der Zeit ausplauderte. Damit hat er den Druck auf die anderen Parteien unnötig vermindert. Andrea Ypsilantis Koalitionsangebote an FDP und CDU wirken jetzt nur noch wie eine schlecht inszenierte Komödie.

Dem SPD-Vorsitzenden wird das vorerst nicht ernsthaft schaden. Das liegt vor allem an der Alternativlosigkeit - nicht nur der Person Beck, sondern auch seiner strategischen Positionierung.

Doch es ist gerade ihre Nähe, die das Verhältnis zwischen SPD und Linken so schwierig macht. Koalitionen sind vor allem dann erfolgreich, wenn sich die beteiligten Parteien um ihr jeweiliges Profil nicht sorgen müssen. Auf der Grundlage eines soliden Selbstbewusstseins lassen sich besser Kompromisse eingehen. Auch das unterscheidet die Lage in Hamburg von den Verhältnissen in Hessen.

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