Becks neuer Kuschelkurs zur Linkspartei: SPD-Linke lobt "Quantensprung"

Die Linken in der SPD loben den Beschluss, Andrea Ypsilanti in Hessen freie Hand zu lassen: Die Partei will an Sach-Fragen entscheiden, wie sie mit der Linkspartei umgeht.

Ungewohnte Einigkeit: SPD-Linker Böhning und Parteichef Beck Bild: dpa

Trotz der Aufregung in den Medien um das Verhältnis von SPD und Linkspartei hat sich die Debatte bei den Sozialdemokraten beruhigt. So sagte der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Peter Struck, er halte es zwar für falsch, wenn sich die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti von der Linken wählen lässt. Er will ihr aber auch keinen Verzicht auf eine Kandidatur nahelegen. "Das ist eine schwierige Debatte innerhalb der SPD."

Der Bundesvorstand der Partei hatte am Montag mit 40 zu einer Stimme bekräftigt, dass die Landesverbände selbst über Koalitionen und Regierungsbildungen entscheiden. Damit hatte Parteichef Kurt Beck eine Lockerung der von ihm selbst gesetzten Doktrin durchgesetzt, im Westen jeden Kontakt mit der Linkspartei zu tabuisieren. Vor allem die Union und die Bild-Zeitung versuchen diese neue Offenheit seitdem zu skandalisieren. Auch in der SPD wird gestritten, ob diese Öffnung sinnvoll ist.

Der Parteilinke Björn Böhning hingegen meint, dass die SPD nun endlich "nach lokalen Gegebenheiten und Sachfragen entscheiden kann, ob sie eine Koalition links der Mitte macht oder nicht. Das ist ein Quantensprung." Der Sprecher der Parlamentarischen Linken Ernst Dieter Roßmann sagte der taz, die Öffnung der SPD sei unvermeidlich gewesen. Die Linkspartei sei in Hessen, Hamburg und Niedersachsen in die Parlamente eingezogen. Das sei schlicht die Realität. Die neue Linie laute nun: "bekämpfen, aber nicht mehr ignorieren und tabuisieren". Die Linkspartei sei eine Mixtur aus "Populismus und Radikalismus" durchsetzt "mit Sozialdemokratie". Es sei notwendig gewesen, den Grundsatz der SPD, dass in Länder und Kommunen über Bündnisse entschieden werde, wieder Geltung zu verschaffen. Was in Hessen passieren werde, sei aber offen. Es müsse auch Verhandlungen mit der CDU geben. Falls die CDU in Hessen auf Roland Koch und Studiengebühren, deren Abschaffung eine zentrale SPD-Forderung ist, verzichte, sei viel möglich.

Kritik kommt unvermindert von der Gruppe der Netzwerker und dem rechten Seeheimer Kreis. Dort fürchtet man, dass eine Wahl von Ypsilanti in Hessen mit Stimmen der Linkspartei zur Regierungschefin, die SPD unglaubwürdig erscheinen lasse. Eine gangbare Alternative für Hessens SPD hat man aber nicht.

Die hessische FDP hat am Mittwoch das SPD-Angebot zu Verhandlungen über eine Ampel mal wieder abgelehnt. Die Grünen wollen in der nächsten Woche mit der SPD bereits über einen Koalitionsvertrag verhandeln. Die Sozialdemokraten wollen mit allen Parteien, außer der Linkspartei, über eine Regierungsbildung reden. Die Linkspartei bekräftigt, Ypsilanti ohne Vorbedingung und Absprache zur Ministerpräsidentin wählen zu wollen. Hessens CDU-Chef Koch tut zurzeit gar nichts.

Klar ist: Eine Wahl Ypsilantis mit Stimmen der Linksfraktion kann es, so schätzen es auch SPD-Linke ein, nur geben, wenn alle anderen Möglichkeiten sichtbar gescheitert sind.

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