Interview zu Vorwahlen in Ohio und Texas: "Obama ist einfach Frischluft"

Gewinnt Clinton einen der beiden Staaten, wird sie weiter gegen Barack Obama kämpfen. Doch dieser beeindruckt umso mehr, je näher man seine Kampagne verfolgt, so Gary Smith, Direktor der American Academy.

Sollte Senator Obama in beiden Staaten gewinnen, wird sich Clinton kaum gegen den Druck aufzugeben stemmen können. Bild: dpa

taz: Herr Smith, werden wir nach den Vorwahlen in Texas und Ohio wissen, wer für die Demokraten im November antritt?

GARY SMITH, 53, Texaner, ist seit 1998 Direktor der American Academy in Berlin. Zuvor lehrte er Kulturgeschichte und Philosophie in Berlin, Boston und Chicago

1. Bringen die Vorwahlen heute in Ohio und Texas die Entscheidung bei den Demokraten?

Nach 11 Siegen in Folge von Barack Obama entscheidet sich heute das Schicksal von Hillary Clinton. Experten sind sich einig: Sie muss sowohl Texas als auch Ohio gewinnen, um noch im Rennen zu bleiben. Clinton hat bisher 1.267 Delegiertenstimmen, Obama dagegen schon 1.369. Um die Nominierung zu gewinnen, sind 2.025 nötig. 370 Delegiertenstimmen werden in Texas und Ohio sowie in den kleinen US-Bundesstaaten Rhode Island und Vermont vergeben. Es gibt auch Druck aus der Demokratischen Partei, dass die heutigen Vorwahlen zum Tag der Entscheidung werden sollen. Der einstige Mitbewerber um die Präsidentschaftskandidatur, Bill Richardson, sagte, das Gezänk zwischen Obama und Clinton dauere zu lange. Und: "Wer auch immer danach die meisten Delegiertenstimmen, eine klare Mehrheit hat, sollte der Präsidentschaftskandidat werden."

2. Was sagen letzte Umfragen?

Es gibt keinen Favoriten: Obama, Senator aus Illinois, führt in Texas laut Umfrage des Fernsehsenders Fox News mit 48 Prozent knapp vor der ehemaligen First Lady, die auf 45 Prozent kommt. In Ohio dagegen hat Hillary Clinton die Nase vorn: In einer Erhebung der Zeitung The Columbus Dispatch führt Clinton mit 56 zu 40 Prozent. In einer Umfrage der in Cleveland erscheinenden Zeitung Plain Dealer war Clintons Vorsprung knapper: 47 zu 43 Prozent.

3. Was passiert, wenn es wieder keine Entscheidung gibt?

Dann gehts weiter - wenn es sein muss noch bis zum 7. Juni mit den letzten Parteiversammlungen in Puerto Rico. Zwölf Bundesstaaten stehen nach den Dienstag-Vorwahlen noch zur Entscheidung aus. Dabei geraten die bevölkerungsreichen Bundesstaaten Pennsylvania (22. April: 188 Delegiertenstimmen) und North Carolina (6. Mai: 134) in den Fokus. Theoretisch kann es zu einer Kampfabstimmung auf dem Parteitag Ende August in Denver, Colorado, kommen, da es weder Obama noch Clinton gelingen dürfte, nur mit gewählten und in ihrem Abstimmungsverhalten festgelegten Delegierten auf die nötige Mehrheit von 2.025 Delegierten zu kommen. In diesem Fall kommt den vorher bestimmten "Superdelegierten" besondere Bedeutung zu.

4. Wie war das noch mal mit den Superdelegierten?

Bei den Vorwahlen (Primaries) und Parteiversammlungen (Caucusses) wird das Gros der Delegierten für die Nominierungsparteitage gewählt. Daneben gibt es noch "ungebundene Delegierte". Bei den Demokraten sind das 796 von 4.049 Delegierten, darunter alle Kongressmitglieder, Gouverneure, Expräsidenten, hohe Parteifunktionäre. Sie können stimmen, für wen sie wollen - daher die Bezeichnung "Superdelegierte". Obama und Clinton selbst sind Superdelegierte.

5. Und was machen eigentlich die Republikaner?

Die wählen auch in den Bundesstaaten Ohio, Texas, Rhode Island und Vermont. Doch die Konkurrenz hat John McCain, Senator von Arizona, längst entschieden. Er führt mit 1.033 Delegiertenstimmen vor Mike Huckabee mit 247 Stimmen. Nötig bei den Republikanern sind 1.191 Delegierte zum Sieg. McCain wird auf dem Parteitag Anfang September in Minneapolis-St. Paul, Minnesota, offiziell nominiert. THILO KNOTT

Gary Smith: Das würde mich überraschen. Es war eine sehr hart ausgefochtene Schlacht in Ohio und Texas. Der Ton ist sehr rau geworden, die Angriffe Senatorin Clintons haben sich verstärkt. Sie weiß, dass sie den Trend der Obama-Siege stoppen muss. Wenn sie morgen nicht einen einzigen, deutlichen Sieg erzielt, wird sie die demokratische Nominierung nicht mehr gewinnen können. Die Umfragen sehen allerdings in beiden Staaten einen sehr knappen Ausgang.

Die meisten Experten gehen davon aus, dass Hillary Clinton aufgeben muss, wenn sie am Dienstag nicht in beiden Staaten sehr klar gewinnt. Sehen Sie das auch so?

Ich glaube nicht, dass sie so einfach aussteigt. Vor allem dann nicht, wenn sie einen der beiden Staaten gewinnt. Denn das würde ja zeigen, dass es noch immer keinen allgemeinen Konsens für Obama gibt. Sollte jedoch Senator Obama in beiden Staaten gewinnen, wird sie sich kaum gegen den Druck aufzugeben stemmen können. Die Demokraten wollen sich so wenig wie möglich selbst schädigen, um den Wahlkampf gegen die Republikanern nicht zu gefährden.

Wer hätte denn gegen John McCain Ihrer Meinung nach die größeren Chancen?

Wie die meisten, glaube ich, dass Senator Obama einen deutlicheren und attraktiven Kontrast zu Senator McCain anbietet. Aber die Dynamik dieses Wahlkampfs hat sich schon öfters als schwer kalkulierbar gezeigt, und er entwickelt sich sehr deutlich auf wirtschaftliche Themen hin. Wirtschaft hingegen ist ein Thema, das Senatorin Clinton besonders liegt. Beide Kandidaten sind jedoch in diesem Falle besser aufgestellt als McCain. Sein Hindernis ist sein sehr deutliches Profil: Er ist ein Kriegsheld, er ist stark in der Außenpolitik - aber Wirtschaft ist nicht seine Stärke.

Und wer wäre für Sie der bessere Präsident?

Für mich besitzen alle drei Kandidaten große Vorzüge. Allerdings hat meine Bewunderung für Senatorin Clinton durch die schwache Wahlkampfführung gelitten. Die Vielzahl an taktischen Fehlleistungen überzeugt nicht unbedingt davon, dass sie am Tag eins besser vorbereitet sein wird als ihr Gegner. Senator Obama hingegen beeindruckt umso mehr, je näher man seine Kampagne verfolgt.

Die Situation, die ein neuer Präsident vorfindet, ist politisch und wirtschaftlich schwierig. Ist ein radikaler Wechsel hin zu einem "neuen Amerika" überhaupt in so einer Lage vorstellbar?

Die Mehrheit der US-Bürger ist den Ton der hiesigen politische Debattenkultur leid - und nicht erst seit den letzten sieben Jahren. Senator Obama und Senator McCain sind eine Art postparteipolitische Akteure, die die wachsende Zahl unabhängiger Wähler und Wähler in und außerhalb der beiden Parteien ansprechen. Wer die Republikaner in einem Richtungsstreit wähnt, irrt - McCain ist eigentlich ein Unabhängiger, der als Republikaner Wahlkampf betreibt. Seine Partei steckt mitten in einer Identitätskrise. Obama ist für die meisten Leute einfach Frischluft. Viele in Europa, aber auch in den USA verstehen nicht, dass 25 bis 30 Prozent der US-Wähler unabhängig sind. Und diejenigen, die sonst zu politikmüde sind, um überhaupt wählen zu gehen, haben in diesen beiden Kandidaten gefunden, die es vermögen, sie zu mobilisieren.

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