Kommentar Annäherung auf Zypern: Jetzt oder nie!

Nach 34 Jahren Teilung sind auf Zypern endlich auf beiden Seiten Pragmatiker an der Regierung. Diese Chance darf nicht verspielt werden.

Symbole können wichtiger sein als politische Grundsatzvereinbarungen. Mit der Öffnung der Ledra-Straße in der geteilten zypriotischen Hauptstadt Nikosia ändert sich an der Situation auf der Insel nur wenig. Es existieren bereits fünf Übergänge zwischen dem griechischen Süden und dem türkischen Norden. Viele Zyprioten haben sich längst daran gewöhnt, unkompliziert reisen zu können. Die eigentliche Nachricht nach dem Treffen zwischen den Anführern beider Seiten ist die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen mit dem Ziel eines gemeinsamen Bundesstaats für alle Insulaner. Und doch steht die schmale Ledra-Straße im Mittelpunkt, denn sie steht für den politischen Aufbruch nach vier Jahren des vollständigen Stillstands. Ihre Öffnung symbolisiert die Hoffnung darauf, dass es nicht nur bei Schlupflöchern in der zypriotischen Mauer bleibt.

Tatsächlich stehen die Chancen für eine Beendigung der Teilung Zyperns nach 34 Jahren gut. Zum ersten Mal in der Geschichte sind auf beiden Seiten der "grünen Linie" Pragmatiker am Werk, die noch dazu die politische Grundüberzeugung einer gemeinsamen Zukunft eint. Der Grieche Demetris Christofias und der Türke Mehmet Ali Talat kennen sich zudem seit Jahren. Ihre linken Parteien haben selbst in den finstersten Zeiten des Konflikts miteinander geredet. Wenn es überhaupt eine Chance für eine Lösung des Zypern-Konflikts gibt, dann mit diesen beiden Präsidenten.

Doch für Euphorie ist es noch zu früh. Dafür ist der Konflikt zu verfahren, dafür sind die Vorstellungen von einer Lösung zu weit voneinander entfernt. Und schließlich liegt es nicht nur an den Zyprioten, diesen Weg zu gehen. Auch die Türkei, die im Norden mehr als 40.000 Soldaten stationiert hat, muss mitspielen, die EU muss helfend zur Seite stehen und Griechenland sollte unterstützend wirken. Vor vier Jahren scheiterte eine Friedenslösung am damaligen nationalistischen Präsidenten der griechischen Zyprioten. Wenn es jetzt zu einer Einigung kommen soll, dann müssen beide Seiten davon überzeugt sein, dass sie damit mehr gewinnen als verlieren. Sonst droht die Öffnung der Ledra-Straße in Nikosia ein einsames Symbol zu bleiben.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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