Ostsee-Pipeline in Gefahr: Gasleitung mit Riesenproblemen
Die Ostsee-Pipeline hat nicht nur mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Schweden verweigert wohl die Zustimmung und gefährdet so Zeitplan und Wirtschaftlichkeit.
STOCKHOLM taz Die Ostseegasleitung werde so teuer, dass das Projekt womöglich aufgegeben werden muss. Diese Einschätzung verkündete bereits vor einigen Monaten der schwedische Außenminister Carl Bildt. Dem wird ein ausgesprochen guter Draht zu Moskau und zum Energiekonzern Gazprom nachgesagt. Nicht zuletzt aufgrund seiner Vergangenheit als Mitglied im Firmenvorstand einer Teileigentümerin von Gazprom, der das Baukonsortium der Gasleitung anführt.
Wie korrekt Bildts Einschätzung auch sein mag: In Deutschland täte man gut daran, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass es nicht die politisch wie ökologisch umstrittene Ostseegasleitung sein wird, die ab 2011 den Hunger nach russischem Gas stillen kann. Das Projekt, dessen Baubeginn ursprünglich für diesen Sommer geplant war, ist nicht nur kräftig verspätet. Auch die am Montag von Gazprom erstmals offiziell verkündete Korrektur der voraussichtlichen Baukosten von fünf auf nun 7,4 Milliarden Euro ist allenfalls die halbe Wahrheit. Der Nordstream-Aufsichtsratsvorsitzende und Exkanzler Gerhard Schröder hatte kürzlich bereits von acht Milliarden Euro gesprochen, die russische Wirtschaftszeitung Vedomosti wusste von neun Milliarden Euro zu berichten, und unabhängige Analytiker glauben angesichts der Entwicklung der Stahlpreise eher an bis zu zehn Milliarden Euro.
Dabei sind alle diese Schätzungen noch vorläufig, da bislang nicht einmal die Trasse feststeht, auf der die Pipeline verlegt werden soll. Und der Widerstand, auf den die bisherigen Nordstream-Pläne sowohl in Finnland wie in Schweden stoßen, erlauben dem Konsortium nicht einmal eine ungefähre Planung, wann mit den Bauarbeiten begonnen werden kann.
Für den nun offiziell genannten Baubeginn im Sommer 2009 - und der wäre Voraussetzung für eine Inbetriebnahme im Jahre 2011 - gibt es keine realistische Grundlage. Die schwedische Regierung hatte im Februar einen Nordstream-Bauantrag unbearbeitet, da völlig unzureichend bei der Beschreibung der Umweltkonsequenzen, zurückgewiesen. Selbst wenn Nordstream nach dieser ersten Abfuhr nun seine Hausaufgaben besser machen und demnächst einen Antrag vorlegen sollte, der zumindest eine Prüfung wert wäre - diese könnte Jahre dauern. Bei viel weniger umfangreichen Projekten hat sich die schwedische Bürokratie vier bis fünf Jahre lang Zeit genommen. Zwar soll die Gasleitung nicht durch schwedische Hoheitsgewässer führen, aber durch schwedischen Wirtschaftsraum - daraus leiten sich im internationalen Seerecht Mitspracherechte Schwedens ab, vor allem wenn es um Umweltgefahren geht.
In Stockholm dürfte man es schon aus innenpolitischen Gründen absolut nicht eilig haben. Die bislang glücklos agierende und in den Umfragen hoffnungslos hinter der Opposition zurückliegende Regierungskoalition kann in der Öffentlichkeit nämlich mit ihrer negativen Haltung zur deutsch-russischen Gasleitung auf eine überwältigende Unterstützung in der Bevölkerung zählen.
Fraglich ist schließlich auch, ob die Berechnungen überhaupt stimmen, die von einem stetig wachsenden Gashunger Westeuropas ausgehen. Die Consulting-Firma Booz, Allen und Hamilton kam im letzten Jahr zum Ergebnis, dass die Gasnachfrage bis 2030 aufgrund von Energieeinsparungen bei der Stahl-, Chemie- und Papierindustrie und deutlich weniger zur Stromproduktion eingesetzten Gaskraftwerken um 37 Prozent niedriger liegen werde, als bei der Entscheidung für den Pipeline-Bau zugrunde gelegt. Diese Investition könnte also ein ausgesprochen schlechtes Geschäft werden.
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