Irak-Debatte im US-Kongress: Im Zeichen des Wahlkampfs

Vor allem die drei Präsidentschaftskandidaten in spe werden die Irak-Rede des US-Oberkommandeurs Petraeus vor dem Kongress nutzen - um sich zu profilieren.

Wird im Kongress Rede und Antwort stehen müssen: Der US-Oberkommandierende David Petraeus. Bild: dpa

Washington taz Hektisch pendeln seit Tagen schon die Bürochefs republikanischer Senatoren zwischen Weißem Haus und Senat, um die Strategien für den heutigen Dienstag minutiös abzustimmen. Demokratische Abgeordnete schicken sich stündlich letzte Updates zu. Beide Parteien bereiten sich vor auf die heiße Schlacht um die Deutungshoheit dessen, was zwei Männer heute dem US-Kongress berichten werden. Erwartet werden General David Petraeus, der Oberkommandierende der USA im Irak, sowie der dortige US-Botschafter Ryan C. Crocker.

Insgesamt vier Kongressausschüssen sollen die beiden bis Mittwoch Rede und Antwort über die Lage im Irak stehen. Sowohl Republikaner als auch Demokraten wollen diese Gelegenheit nutzen, die öffentliche Meinung über die Situation im Zweistromland zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Geht es "da unten" gut oder schlecht weiter? Das ist die Frage, um die sich alles drehen wird. Nicht nur Präsident George W. Bush, sondern auch Vizepräsident Dick Cheney und der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain haben ihr politisches Schicksal eng mit den Fortschritten im Irak verbunden.

"Die gegenwärtige Irakstrategie hat kein erkennbares Ende in Sicht", schrieben führende Kongress-Demokraten bereits am Freitag an Bush. Sie werden Petraeus und Crocker mit Fragen nach den unkontrollierbaren Kosten des nun schon fünf Jahre währenden Krieges löchern. Mit Fragen nach dem Zustand des ausgelaugten, übermüdeten Militärs.

Zahlreiche Soldaten befinden sich bereits in ihrem dritten oder vierten Einsatz im Irak. Demokraten werden wissen wollen, wo der versprochene politische Fortschritt aufseiten der irakischen Regierung bleibt. Und werden auf eine Exitstrategie für die USA drängen, obwohl sie wissen, dass niemand eine hat.

Die Republikaner laden derweil konservative Blogger und Radiomoderatoren haufenweise nach Washington ein, damit die flächendeckend ihre Sicht der Dinge verbreiten. Denn Republikaner wollen Petraeus Auftritt nutzen, um ungeachtet der jüngsten Unruhen und Bombardements in Basra und Bagdad zu beweisen, dass die umstrittene Bush-Strategie der Truppenaufstockung aus dem vergangenen Jahr ein voller Erfolg sei. Zudem wollen sie für weitere Millionen-Dollar-Finanzspritzen für den Krieg werben und nach Beweisen graben, die eine spürbare Versöhnung zwischen Sunniten und Schiiten belegen könnten.

Vor allem wollen die Republikaner von Petraeus hören, dass er empfiehlt, einstweilen mit der Truppenreduzierung innezuhalten, abzuwarten, um dann im Herbst mit dem Abzug fortzufahren. Bilder von heimkehrenden Soldaten wären das passende Szenario für die heiße Phase der US-Präsidentschaftswahlen, wenn die Republikaner den Einzug der Demokraten ins Weiße Haus verhindern wollen.

Wo es um die US-Irakstrategie geht, ist der Wahlkampf nie weit weg. Die Anhörungen werden daher auch von den drei Senatoren und Präsidentschaftsbewerbern John McCain, Hillary Clinton und Barack Obama intensiv genutzt werden. Sowohl McCain als auch Clinton sind Mitglieder im Verteidigungsausschuss, Obama sitzt im Auswärtigen Ausschuss.

Schon vor sechs Wochen hatte die New York Times die Position des Generals und Bush-Vertrauten Petraeus recht ausführlich geschildert. Sie war aus einer regierungsinternen Videokonferenz durchgesickert. Petraeus wird auch deshalb nicht für Überraschungen sorgen, weil er im Weißen Haus als absolut linientreu gilt. Bush betont regelmäßig, dass er im Irak ohne Petraeus' ausdrückliche Empfehlung nichts entscheiden würde.

Wie effektiv Petraeus ist, das zeigte bereits sein Auftritt im US-Kongress vergangenen September. Für die Demokraten war der Tag ein vollständiges PR-Desaster - und alle Versuche, im Kongress verbindliche Mehrheiten für einen Zeitplan zum Truppenabzug zusammenzubekommen, scheiterten fürderhin. Da dank des Generals im Irak plötzlich alles in Ordnung schien, erlosch obendrein das kritische Medieninteresse - die Demokraten waren ausmanövriert.

Worum wird es also am Dienstag gehen? Petraeus wird laut unbestätigten Vorberichten zu einem Stopp bei der Truppenreduzierung raten. Er wird jegliche Entscheidung über den weiteren Truppenabzug vertagen wollen - und dann nur dazu raten, "wenn es die Situation erlaubt": dem angekündigten Endtermin der ersten Truppenreduzierung im Juli 2008 soll nach dem Wunsch des Generals - und der Bush-Regierung - zunächst ein bis zwei Monate Pause folgen. In dieser Zeit soll häufiger als bisher evaluiert werden, wie es um die Fortschritte der irakischen Regierung steht.

"Alles in allem ist das ein bemerkenswerter Erfolg, aber einer mit Herausforderungen"; werde Petraeus am Dienstag sagen, glaubt der republikanische Kandidat John McCain. Clinton wiederholt stets, dass es Zeit sei, den Krieg schnell und verantwortungsbewusst zu beenden. Sie ist der Ansicht, dass die jetzige Strategie ihre Ziele verfehlt habe, weil Schiiten und Sunniten noch immer keine Versöhnung erreicht hätten. Und Obama, der auch verspricht, den Krieg schnell zu beenden, sagt: "Wir haben noch keine Antwort auf die Frage, die Petraeus das letzte Mal gestellt wurde, nämlich: Hat uns das Unterfangen im Irak sicherer gemacht, und wie wird es uns langfristig sicherer machen?"

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