Hessische CDU buhlt um bisherige Gegner: Grüne profitieren von Machtchaos

Weil die Grünen in Hessen von CDU und SPD umworben werden, sind ihre Anträge im Landtag aussichtsreich.

Der Grüne Al-Wazir sieht Roland Koch (CDU) auf dem "Irrweg nach Jamaika" : dpa

WIESBADEN taz "Gebalze" nennt Hessens Grünen-Chef Tarek Al-Wazir das Werben des geschäftsführend regierenden Ministerpräsidenten Roland Koch und anderer Unionisten um seine Gunst etwas despektierlich. Es sei eine ganz neue Erfahrung, dass Koch den Grünen jetzt plötzlich Komplimente mache und ihm persönlich sage, dass er ihn schätze. "Alles taktisches Kalkül auf dem Irrweg von Koch nach Jamaika", sagte Al-Wazir am Mittwoch der taz.

Eine schwarz-grün-gelbe Regierung sei die "unwahrscheinlichste Konstellation von allen", wenn es um die Frage nach dem Ende der latent gewordenen "hessischen Verhältnisse" gehe. Dies gelte auch, wenn Koch den Grünen noch weitergehende inhaltliche Avancen machen sollte.

Den Grünen fehlt einfach der Glaube an eine sich angeblich reformierende und stilistisch erneuernde CDU. Skepsis sei angebracht, meint Al-Wazir. Schließlich habe Koch in seiner Regierungserklärung vom Respekt seiner Regierung vor den Beschlüssen des Parlaments gesprochen. Doch nur Stunden später habe Innenminister Volker Bouffier (CDU) den Landtag wissen lassen, dass er nicht daran denke, dem Anliegen von Linken, Sozialdemokraten und Grünen nachzukommen und einen Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge zu verhängen.

Davor, dass Koch zum "Wolf im Schafspelz" mutiert sei, hatte zuvor schon SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti gewarnt. Da hatte Koch den Grünen gerade inhaltliche Angebote für eine "faire Zusammenarbeit" unterbreitet. Von "Energiewende" war da plötzlich die Rede, und Koch lobte die Grünen für ihre Innovationen auf dem Bildungssektor. Der neue geschäftsführende Doppelminister für Justiz und Schule, Jürgen Banzer (CDU), nahm schon mal demonstrativ all die Reformprojekte in Angriff, die die Grünen noch vor der Wahl bei der Regierung vergeblich eingeklagt hatten: etwa die Entschärfung der verkürzten Gymnasialzeit. Oder die Abschaffung der umstrittenen Laienpädagogik "Unterrichtsgarantie plus" und deren Ersatz durch eine Vertretungsreserve mit ausgebildeten Lehrkräften.

Damit werden die Grünen die ersten Profiteure der "hessischen Verhältnisse". Weil sie auch von der SPD heftig umworben werden, dürften ihre Anträge im Parlament auch in den nächsten Wochen und Monaten oft mehrheitsfähig sein - entweder mit Stimmen von SPD und Linken oder mit denen von Union und FDP. Dass im Landtag und seinen Ausschüssen "von allen Überzeugungsarbeit geleistet" werden müsse, gefällt Al-Wazir. Das sei doch "der eigentliche Sinn von Parlamentarismus".

Koch gefällt das nicht, jedenfalls nicht auf Dauer. Deshalb baggert er die Grünen weiter an, berauscht vielleicht auch von über vierzigprozentigem Jamaika-Rum, der ihm von CDU-Generalsekretär Ronald Profalla zum 50. Geburtstag geschenkt wurde. Eine "Brücke nach Jamaika" will auch die FDP den Grünen bauen, wie ihr Chef Jörg-Uwe Hahn beteuert. "Wir wünschen uns Jamaika hier - gerne auch mit Al-Wazir!", dichteten die Jungliberalen schräg.

Zur Nagelprobe dafür, wie es weitergehen könnte, wird der Landeshaushalt 2009, das ist jedenfalls Kochs Erwartung. Sollte es eine wie auch immer geartete Mehrheit für den Etat geben, müsse diese Mehrheit auch Regierungsverantwortung übernehmen, sagte er. "Das könnte auf eine große Koalition hinauslaufen", befürchtet Al-Wazir. Wahrscheinlicher werde Jamaika deshalb nicht. Auch nicht die Ampel und schon gar nicht Rot-Rot-Grün. Und Neuwahlen? "Vielleicht."

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