Pro7-Serie "UnSchuldig": Letzte Chance für eine TV-Gattung
Ein deutscher Privatsender startet mit "UnSchuldig" (Mittwoch, 20.15 Uhr, Pro7) eine eigenproduzierte Serie. Ein Flop, und es könnte eng werden für die Gattung.
Dieser Mittwoch könnte ein Schicksalstag für das Fernsehen werden, an das man sich seit den frühen 90er-Jahren gewöhnt hat. Wenn es "UnSchuldig" ergeht wie allen anderen wöchentlichen deutschen Privatsenderserien der letzten Jahre, droht die Fernsehgattung auszusterben. Seit fulminanten Flops ("Verrückt nach Clara" u. v. a.) ist es ein Erfolg, wenn Serien ihre Staffeln zu Ende senden dürfen und bloß verkündet wird, dass keine Fortsetzung folgt (u. a. "GSG 9"). Den Sendern, die trotz des zersplitternden Markts ihren Eigentümern immer mehr Gewinne auszahlen müssen, könnte jedes neue Misserfolgserlebnis der Neigung zu teuren Eigenproduktionen den Rest geben.
Lustigerweise ist die Heldin von "UnSchuldig", Dr. Anna Winter, von Beruf Rechtsanwältin. Womöglich tut man den cleveren Managern des jeweils zuständigen Senders RTL kein Unrecht mit der Annahme, sie hätten ihre Anwaltsserien "Die Anwälte" und "Herzog" jüngst schon deshalb gern abrupt aus dem Programm gekickt, um den deutschen Fernsehserienanwalt auch für die Konkurrenz zu beschädigen.
Andererseits wurde "UnSchuldig" von der Bertelsmann-Firma Teamworx produziert, die bei ein- und zweiteiligen Events wie "Dresden" und "Das Wunder von Berlin" immer noch erfolgreich ist. Bei länger laufenden Serien legte Teamworx den "Clara"-Flop hin, scheint daraus aber gelernt zu haben: Hier handelt es sich mal nicht um eine Kopie eines US-Formats, Dr. Winter ist keine Anwältin wie Ally McBeal oder die "Boston Legal"-Juristen. An Lisa Plenske, als die Darstellerin Alexandra Neldel berühmt wurde, erinnert sie auch nicht. Sie ist vielmehr eine Juristin mit stahlhartem Blick, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Opfern von Justizirrtümern beizuspringen.
Das Casting scheint zu sitzen: Wer Neldel als zu glatt empfindet, kann sich an Clemens Schick halten, der an viriler Vierschrötigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Er ist einer von Winters Assistenten. Wer Neldel als zu kühl empfindet, mag sich mit dem anderen trösten. Den spielt Erhan Emre sehr soft, womit ProSieben etwas vollbringt, was bei ARD und ZDF selten gelingt: Hier spielt ein Schauspieler mit Migrationshintergrund mal einfach so eine Rolle. Außerdem scheinen beide Assistenten auch privat Gefallen an Dr. Winter zu finden, was natürlich ans zentrale Teamworx-Rezept erinnert: eine Frau zwischen zwei Männer zu stellen ("Die Sturmflut" u. v. a.).
Ob sich wirklich was ergibt, verrät Folge 1 nicht. Denn "UnSchuldig" erfüllt auch den Serien-Standard, nicht alles auf einmal zu erzählen, aber dafür schnell. So erreicht die ProSieben-Serie den Kollateraleffekt, von dem mediokre, dennoch erfolgreiche US-Serien wie "CSI" und "Navy CIS" profitieren: Wer schnell und dicht erzählt, kann auch größere logische Löcher elegant verstecken. Zuschauer würden erst darauf kommen, wenn sie hinterher darüber nachdenken, wozu freilich gar kein Anlass besteht.
Als ungefähr so eine Serie könnte sich "UnSchuldig" auch entpuppen. Es flasht oft wie bei "CSI", das Sounddesign wummert angenehm loungig. Das ist kein direkter Grund, zuzuschauen. Bloß in den rund 5.000 Haushalten, in denen ein Quotenmessgerät der GfK die Einschaltquoten erzeugt, sollte jemand einschalten - um die Privatsenderserie am Leben zu erhalten. Könnte die im Prinzip spannendste Fernsehgattung in Deutschland nur noch in Form primitiver Dailys und öffentlich-rechtlicher Serien, die vorzugsweise um Schimpansen, Robben und Tierärztinnen kreisen, weiterbestehen, wäre das wirklich schade.
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