Bayer-Gegner Zenit St. Petersburg: Wer sind diese Russen?

Wem gehört der Klub? Wie spielt er? Wen mögen die Fans? Welche Farben gehen gar nicht? Zehn Wahrheiten über Zenit St. Petersburg, Gegner des FC Bayern im Uefa-Pokal.

Sind im Bombenstimmung und prügeln sich auch mal gern mit den Fans des Lieblingsfeindes Spartak Moskau: feiernde Anhänger von Zenit St. Petersburg. Bild: dpa

ST. PETERSBURG taz ­ 1. Dieser Verein hat einen Hang zum Namenswechsel. Vom Metallwerker-Club LMS über "Die Staliner" bis zu Zenit ging es zwischen 1925 bis 1940. Als Leningrad später seinen vorrevolutionären Städtenamen wieder annahm, folgte der Club und wurde zu Zenit St. Petersburg. Insofern ist es überraschend, dass der Liebling der Stadt inzwischen nicht Gazprom St. Petersburg heißt.

­ 2. Anders als bei Schalke ist Gazprom nicht Sponsor, sondern Besitzer des Clubs. Als Mehrheitsaktionär pumpt der Konzern seit zweieinhalb Jahren Millionen in den Verein, der nun der reichste und auch gleich erfolgreichste im Land ist. Der einzigen Sowjetmeisterschaft 1984 folgte im Herbst vergangenen Jahres der erste russische Titel. Geld schießt eben doch Tore. Sowieso haben viele Russen nicht so viel gegen Gazprom wie viele Deutsche. Zenit-Fans besorgt nur, dass ungewiss ist, wie lange der Geldhahn des Gigakonzerns offen bleibt.

­ 3. Anfangs hatten die Gazpromschen Marketingexperten Probleme mit dem Verständnis von dem, was ein Fußballverein ist. Zur Imageauffrischung planten sie eine neue Farbgebung: Grün. Wohl wegen der Hoffnung. Es setzte sich dann die Einsicht durch, dass ein Verein kein saisonales Modeaccessoire ist. Die Farben von Zenit blieben: Blau und Weiß. Dazu später mehr.

­ 4. Wenngleich Zenit in St. Petersburg gerade sehr hip ist (es war angeraten, gleich nach dem Viertelfinale für das Spiel bei Bayern Plätze in den angesagten Kneipen mit Fernsehern zu reservieren), heißt das nicht, dass sich früher niemand für den Verein interessiert hätte. Im Gegenteil. Als einziger Verein der Stadt trotzt Zenit seit je der Armada aus Moskau mit Spartak, ZSKA, Dynamo, Lok. Zenit wählte übrigens Spartak zum Lieblingsfeind. Bis heute liefern sich die Fans verbale und handgreifliche Schlachten.

­ 5. Unter anderem im Petrowski-Stadion an einem Seitenarm der Newa. Dort sind drei Viertel der 21.000 Plätze an Dauerkartenbesitzer vergeben. Einst hatte Zenit ein 100.000-Mann-Stadion, das wurde in den 80er-Jahren erst auf gut 80.000 Zuschauer verkleinert, in den 90ern dann aufgegeben: zu oll, irgendwie zu weit draußen. Zu weit draußen ist inzwischen umgewidmet in: wunderbar in einem Park und am Wasser gelegen. An gleicher Stelle baut Gazprom ein neues Stadion. Das Übliche: mittelgroß, viel Komfort, frauen- und familienfreundlich.

­ 6. Ja, in der neuen Zenit-Welt leben auch viele Frauen. Und sie lieben: Andrej Arschawin. Der ist 1981 in Leningrad geboren, ein echtes Eigengewächs, sooo süß und eine Plaudertasche. Zudem ein guter Stürmer, weshalb er bei Zenit-Fans beliebtester Spieler ist. Ungefähr, als wäre Lukas Podolski in Köln geblieben und der FC ein ernst zu nehmender Verein. Zenits Luca Toni ist Pawel Pogrebnjak, jedenfalls im Uefa-Cup. Zu beachten ist auch Anatolij Tymoschuk. Für den Mann von Schachtjor Donezk bezahlte Gazprom 15 Millionen Euro Ablöse. Zum allgemeinen Entsetzen. So viel Geld! Für einen Ukrainer!! Tymoschuk erwies sich aber als Glücksgriff, ein smarter Kerl, der nun als Kapitän die Geschicke auf dem Platz leitet.

­ 7. Am Spielfeldrand steht Dick Advocaat. Den Trainer erreichte 2006 der Ruf des Gazprom-Geldes. Anfangs bekam er wohl 2,5 Millionen Euro, nun, so wird kolportiert, sollen es vier Millionen sein. Er verrät es natürlich nicht, er neigt eh nicht zu Gesprächigkeit. Eher dazu, etwas verschlossen und herablassend zu sein. Die Liebe der St. Petersburger, die seinem lustigen tschechischen Vorgänger Vlastimil Petrzela entgegenschlug, bleibt ihm versagt. Er wird respektiert. Das muss reichen. Kaufen kann man sich für Liebe ja sowieso nichts.

­ 8. Advocaat, Gladbacher wissen das, kauft gerne ein. Den Zenit-Kader hat er mit Koreanern, einem Argentinier, einem Türken, etwas Benelux-Garnitur usw. aufgefüllt. Doch auch unter Advocaat hat sich eines nicht geändert: noch nie lief ein schwarzer Spieler für den Club auf. Es hing mal ein Transparent im Stadion "In den Farben von Zenit gibt es kein Schwarz". Niemand möchte das rassistisch ausgelegt wissen. Hinweis eins: "kein Schwarz" bedeute, Zenit sei ein positiver Club. Hinweis zwei: Dass es bisher keinen Schwarzen gab, sei doch kein Grund, einen zu kaufen.

­ 9. Wie das so ist unter Patrioten, schätzt es der Zenit-Anhang, dass Advocaats Stammelf russisch dominiert ist. Die Randlage in Europas Fußball führt zwar allgemein zu einer eher verhaltenen Einschätzung des einheimischen Niveaus, aber: russische Technik gepaart mit holländischem System - das bringts. Vor allem international und als Kontermannschaft. In der im März gestarteten Liga aber läuft es schleppend. Manche spotten, Advocaat sei die Liga egal. Denn für die nächste Champions League ist Zenit eh schon qualifiziert.

­ 10. Im Rahmen des Gazprom-Zehnjahresplanes ist nun erst mal der Uefa-Cup fällig. Die Fans aus Block 13 blicken dem optimistisch entgegen. Im Halbfinale wollen sie ein Transparent mit einem vielköpfigen Drachen ausbreiten, genauer gesagt: einem Drachen mit abgeschlagenen Köpfen, gefallen sind jüngst: Villarreal, Marseille, Leverkusen. Und nun (20.45 Uhr, Sat.1) soll es Bayern an den Kragen gehen.

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