Vor Vorwahlen in Indiana und North Carolina: Obama nach Wright-Streit in Defensive

Dienstag stimmen die Demokraten in zwei Staaten über ihre Präsidentschaftskandidatatur ab. Der Pastoren-Streit könnte Obama Stimmen Weißer kosten.

Der frühere Pastor wird zum "Fallout" für Barack Obama : dpa

WASHINGTON taz Am Dienstag stimmen die US-Demokraten in North Carolina und Indiana darüber ab, wer ihr Präsidentschaftskandidat werden soll. Barack Obama und Hillary Clinton kämpfen nach über 40 Wahlgängen noch immer erbittert um jede Stimme. Laut Umfragen liegt Obama in North Carolina, das einen hohen Anteil an schwarzen Demokraten hat, mit sechs Prozentpunkten vorne. In Indiana liegen beide Rivalen gleichauf, mit einem leichten Vorteil für Clinton. Wie verfahren die demokratischen Vorwahlen mittlerweile sind, zeigte die Freude am Wochenende über Obamas mikroskopischen Sieg auf dem fernen Pazifik-Territorium Guam: Dort hatte er ganze sieben Stimmen mehr als Clinton erhalten. Beide erhalten aus Guam zwei Delegiertenstimmen.

Vergangene Woche wurde in den US-Medien heftig darüber spekuliert, ob der schwarze Politstar seinen beeindruckenden Schwung eingebüßt habe. Einen harten Dämpfer hat ihm sicher die aufwühlende Debatte um seinen Pastor, den Reverend Jeremiah A. Wright eingebracht. Denn vergangenen Woche war Obamas Pastor, Jeremiah A. Wright, provokant aus der Versenkung aufgetaucht. In die war er vor rund sechs Wochen, zur Erleichterung vieler Demokraten, abgetaucht, weil US-Medien problematische Versatzstücke aus seinen Predigten der letzten Jahre erst ins Internet gestellt und dann auf allen TV-Kanälen ausgestrahlt hatten. Deren Veröffentlichung war vor allem an eine Adresse gerichtet: An Barack Obama, der den Pastor seit zwei Jahrzehnten seinem spirituellen Mentor nannte.

Von konservativen Kritikern wurde Wright als "Hassprediger" und als "unpatriotisch" defamiert. Denn der impulsive Reverend hatte die Todsünde begangen, die Terroranschläge gegen die USA am 11. September 2001 damit zu kommentieren, das dass, was Amerika "in Übersee getan hat, nun uns selber trifft". Wright wetterte außerdem "Gott verdamme Amerika" – ein schlimmer Satz in einer Nation, in der strammer Nationalismus die Tugend des kleinen Mannes ist. Dass Wright, der selber einmal Arzt war, allen Ernstes meint, Aids gehe auf eine rassistische Verschwörung der US-Regierung zurück, gilt vielen zudem als Beweis seines Weißen-Hasses.

Der "Fallout", wie der radioaktive Niederschlag aus diesem sowohl politischen wie auch menschlichen Drama nun genannt wird, wirkt umso stärker, als der 66-jährige Wright vergangene Woche keinesfalls Reue zeigte. Er attackierte den ihm persönlich nahestehenden Obama, der "nur ein Politiker" sei und taktiere, um sich nun von der schwarzen Kirche zu distanzieren, stichelte Wright. Er hatte Obama vor zwei Jahrzehnten zum Christentum bekehrt, ihn getraut und dessen beide Töchter getauft.

Obama hatte sich nach der ersten Attacke gegen Wright mit einer weithin als "historisch" bejubelten Rede zu den Rassenbeziehungen zwar vom polarisierenden Wright distanziert, aber nicht mit ihm gebrochen. Viele seiner Anhänger waren enttäuscht und fanden Obama in dieser Frage zu weich. Letzte Woche gab sich Obama, der sich in einem ausischtslosen Kopf-an-Kopf-Rennen mit seiner Rivalin Hillary Clinton befindet, entsetzt.

Was Wright sagte, sei "abscheulich" und beleidige Amerika, schimpfte der Kandidat. Er sei "empört" und "traurig" über Wrights Auftritt. "Die Person, die ich jetzt gesehen habe, war nicht die Person, die ich vor 20 Jahren kennengelernt habe," sagte ein sichtlich gequälter Obama, der mit Wright offenbar soetwas wie eine Vaterfigur verloren geben mußte. Wrights Äußerungen seien aber nicht nur "spaltend und zerstörerisch", sie unterstützten auch diejenigen, die Hass predigten, was nicht mit seiner, Obamas Botschaft, der Überwindung der Gräben, im Einklang stehe.

Verstört von "Pastor Desater", wie ihn eine New Yorker Boulevardzeitung seitdem nennt, sind nicht nur Obamas Anhänger, sondern auch zahlreiche schwarze Kirchgänger. Sie sehen sich nun unter dem Generalverdacht des Weißen-Hasses stehen. Für viele in der Chicagoer Gemeinde der United Church of Christ glichen die letzten Tage einer Berg- und Talfahrt der Gefühle. Oder mehr noch einem Familienstreit, der so aussieht, als ob am Ende einer ausziehen muß. Die United Church, eine 1,4 Millionen Mitglieder starke liberale schwarze Kirche, in der die Obamas regelmäßig beten, veröffentlichte am Wochenende auf ihrer Homepage eine Stellungnahme ihres Präsidenten, John H. Thomas. Darin gibt Thomas der tiefen Aufgewühltheit seiner Gemeinde Ausdruck, die "besorgt ist über die Art und Weise, wie die kontroversen Ansichten kommuniziert worden sind".

Viele Afroamerikaner vermuten, dass der Skandal das Ergebnis gezielter Angriffe des Konservativen Amerikas auf die schwarze Minderheit sei. Wahlstrategen sind hingegen schockiert, dass Wright just vor den Vorwahlen in Indiana und North Carolina, die mediale Bühne für seine eitle Selbstverteidigung nutzte. Zwar gibt es keine handfesten Daten dazu, wie und ob der Pastor Obama geschadet hat. Doch Obama selbst räumte vor einigen Tagen ein, dass der eloquente Geistliche ihm im Rennen gegen Clinton Steine in den Weg werfe.

Meinungsforscher des Obama-Camps gehen davon aus, dass der Wright-Streit vor allem die in den bevorstehenden Primaries entscheidende Wählerschicht der weißen Arbeiter abschrecken könnte. Die stimmte bisher für Clinton und sieht in Obama ohnehin eher einen Vertreter "schwarzer Interessen". Fest steht, dass sich Obama für seine Mitgliedschaft in der United Church auch in Zukunft wird rechtfertigen müssen. Denn dass er mit einer klaren Verurteilung Wrights zunächst gezögert habe, "lässt gerechtfertigte Fragen über sein Urteilsvermögen aufkommen", befand vor einigen Tagen die "Washington Post".

Viele der der Vorwahlen müden Demokraten befürchten, dass der Wright-Skandal Obama die Nominierung als Spitzenkandidat kosten könnte. Wie aus einer am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Umfrage der New York Times/CBS hervorgeht, erwarteten nun nur noch 51 Prozent, dass er im November gegen den Republikaner John McCain antritt. Vor einem Monat waren es noch 69 Prozent. 34 Prozent der US-Wähler lehnen den Senator aus Illinois jetzt als Präsidenten ab - zehn Prozentpunkte mehr als noch im März.

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