EU-Reformvertrag: Bei Europa muckt die Linke auf

Die rot-rote Koalition streitet über den EU-Reformvertrag. In der nächsten Woche soll Berlin im Bundesrat nach dem Willen der SPD mit Ja stimmen. Doch die Linkspartei will sich widersetzen.

Die EU ist der Linkspartei zu militaristisch und neoliberal. Bild: AP

Die Europäische Union entzweit die rot-rote Koalition. Am kommenden Freitag stimmt der Bundesrat über den EU-Reformvertrag ab. Die SPD fordert, das Land Berlin müsse dem Vertrag zustimmen. Die Linkspartei lehnt ihn ab. Der Vertrag, der die Strukturen der EU nach dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten reformiert, ist der Linken zu neoliberal und militaristisch. Am Dienstag tagt der Senat. Dann soll entschieden werden, welches Votum das Land im Bundesrat abgibt.

Eigentlich wäre es ganz einfach: Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Linkspartei sieht vor, dass Berlin sich im Bundesrat enthält, wenn die beiden Parteien sich nicht einig werden. Doch damit ist der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nicht einverstanden. "Dazu ist das Thema zu wichtig und zu aufgeladen", sagt Parteisprecher Hannes Hönemann. Es würde dem Selbstverständnis Berlins als europäischer Hauptstadt widersprechen, diesen Vertrag abzulehnen, der die Einigung Europas vorantreibt. Auch Wowereits Sprecher Richard Meng sagt: "Ganz Europa schaut darauf, wie gerade Berlin als ehemals geteilte Stadt hier abstimmt."

Die Linkspartei gerät mit ihrer Ablehnung des Reformvertrages unterdessen in Erklärungsnot. Vor drei Jahren, als es um die in den meisten Punkten identische EU-Verfassung ging, stimmten die Senatoren der Linkspartei noch anders. Sie enthielten sich im Senat, dadurch konnte Berlin im Bundesrat zustimmen.

Linkspartei-Sprecher Thomas Barthel sagt, die Position seiner Partei habe sich nicht grundlegend geändert: Auch damals habe es starke Kritik an der Verfassung gegeben. Die Entscheidung, sich im Senat zu enthalten, sei nur sehr knapp ausgefallen. Dass jetzt die Kritik überwiege, dafür sei auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Vergabegesetz verantwortlich: Das Land Berlin wollte öffentliche Aufträge nur noch an die Firmen vergeben, die einen Mindestlohn von 7,50 Euro bezahlen. Doch die Richter in Luxemburg entschieden, dass dies gegen EU-Recht verstößt. Die Linkspartei will nun nicht einem EU-Reformvertrag zustimmen, der in diesem Punkt keine Verbesserung bringt. Daher stehe die Entscheidung fest, sagt Linkspartei-Sprecher Thomas Bartel: "Unsere Senatoren werden am Dienstag im Senat gegen den Reformvertrag stimmen."

Wenn die Linkspartei dabei bleibt, hätte Wowereit die Möglichkeit, am Freitag im Bundesrat dennoch für den Reformvertrag zu stimmen. Doch dann bliebe der Linkspartei immer noch die Methode Schönbohm: Im März 2002 waren SPD und CDU in Brandenburg uneins, ob sie dem Zuwanderungsgesetz zustimmen sollten. SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe stimmte in der Sitzung des Bundesrates mit Ja, der ebenfalls anwesende Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) stimmte mit Nein. Klaus Wowereit war damals Präsident des Bundesrates und fragte bei Stolpe nach, wie das Land Brandenburg denn nun endgültig abstimmen würde. Stolpes Ja wertete Wowereit als Zustimmung des Landes. Das Bundesverfassungsgericht kassierte das später, denn ein Bundesland kann im Bundesrat nur einheitlich abstimmen. Brandenburgs vier Stimmen wurden als "ungültig" gewertet. Wenn Linkspartei-Senator Harald Wolf also am Freitag im Bundesrat den Schönbohm macht, könnte er Berlins Zustimmung zum EU-Reformvertrag doch noch verhindern - damit würde sich der Konflikt zu einer ernsthaften Koalitionskrise ausweiten.

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