Kommentar SPD-Streitereien: Last exit FDP

Bei aller Liebe zur Diversität - der SPD täte etwas mehr Geschlossenheit durchaus gut. Die kleinteiligen Streitereien zeigen ihre tiefe Verunsicherung.

Dass Parteien geschlossen auftreten müssen, gilt hierzulande als Doktrin. Die Wähler heißt es, möchten das so. Diesem Merksatz haftet etwas unangenehm Autoritäres an. Der Parteichef gibt die Richtung an, das Parteikollektiv hat gehorsam zu folgen, Abweichungen gelten als Störung.

Bei der SPD allerdings wäre im Moment etwas mehr Geschlossenheit keine schlechte Idee. Denn in der SPD tobt ja keine richtungsweisende Debatte, die so erstickt würde. Stattdessen prägen kleinteilige Machtkämpfe das Bild. Die Partei hat sich in einer Art Dauerzwist mit sich selbst verfangen. Und alle Aufrufe, die Grabenkämpfe, mal für einen Moment zu unterbrechen, bewirken das Gegenteil.

Ein Beispiel für dieses Durcheinander ist der Streit um die SPD-Wahlkampfzentrale Kampa 09. Es gibt Zank um Personalentscheidungen. Warum aber muss die SPD knapp eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl überhaupt schon ihre Wahlkampfzentrale besetzen? Sie hat bislang weder einen Kandidaten noch ein Programm. Wäre es nicht klüger, das Wahlkampfteam zu küren, nachdem klar ist, auf welchen Kandidaten die Kampagne zugeschnitten wird? Doch solche praktischen Erwägungen scheinen in dem verselbstständigten Machtkampf nicht mehr zu zählen.

In der SPD schwinden die inneren Bindungskräfte. Darin spiegelt sich ihre fundamentale Verunsicherung wider. Die Partei weiß nicht, wohin sie will. Stark war die SPD stets, wenn sie die Interessen von Unter- und Mittelschicht zu bündeln verstand. Diese Fähigkeit scheint sie verloren zu haben. Ihr Slogan "Aufstieg und Gerechtigkeit" soll optimistisch klingen. Doch ob sie mit dieser frohen Botschaft die realen Abstiegsängste der Mittelschicht besänftigt, darf bezweifelt werden.

Zudem fehlen der Partei Machtchancen jenseits der Großen Koalition. Derzeit blinkt sie Richtung FDP; Spitzenpolitiker reden schon von einem "sozialliberal-ökologischen Projekt". Doch das ist ein undeckter Wechsel. Die Westerwelle- FDP stellt sich taub, und wie man mit der FDP den Mindestlohn einführen will, ist auch unklar. So lange die SPD kein plausibles Programm und keine glaubwürdige Machtperspektive hat, werden die internen Querelen weiter gehen. STEFAN REINECKE

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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