Die EU in der Krise: Iren ratlos

Beim kommenden EU-Gipfel in Brüssel wollen die Regierungschefs der EU vom irischen Regierungschef wissen, wie es nun weitergehen soll.

Betretene Gesichter: Der irische Premierminister Brian Cowen soll auf dem EU-Gipfel in Brüssel einen Ausweg aus der Krise vorschlagen. Bild: dpa

DUBLIN taz Wie geht es weiter? Die meisten Regierungschefs der EU-Länder forderten am Wochenende, den Ratifizierungsprozess des EU-Vertrags von Lissabon fortzusetzen - ungeachtet der irischen Ablehnung im Referendum am Donnerstag. "18 europäische Staaten haben bereits ratifiziert", sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy. "Die übrigen Länder müssen das auch tun. Das ist auch die Absicht des britischen Premierministers Gordon Brown, wie er mir am Telefon versicherte, damit der irische Vorfall sich nicht zur Krise ausweitet."

Aber der "Vorfall" ist längst eine Krise. Der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier sagte, das irische Ergebnis sei ein "schwerer Rückschlag", ein SPD-Abgeordneter bezeichnete es gar als "Katastrophe". Der britische Europaminister Jim Murphy sagte, dass Irlands Ablehnung keineswegs bedeute, dass der Vertrag tot sei. Es sei immer noch ein guter Vertrag für Großbritannien, sagte er und deutete an, dass Irland isoliert sein werde, wenn die anderen Länder den Ratifizierungsprozess abgeschlossen haben.

Murphy fügte hinzu, dass der irische Premierminister Brian Cowen am Donnerstag auf dem EU-Gipfel in Brüssel einen Ausweg aus der Krise vorschlagen müsse. Das findet auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. "Der Europarat möchte Cowens Analyse hören und wissen, welche Ideen der hat, um den Bedenken derjenigen zu begegnen, die mit Nein gestimmt haben", sagte er.

Bisher herrscht bei der irischen Regierung jedoch Ratlosigkeit. Cowen sagte, er respektiere das Ergebnis, auch wenn er und seine Kabinettskollegen sehr enttäuscht seien. "Es ist nun unsere Pflicht, über die Folgen der Abstimmung für Irland nachzudenken, so dass wir nach vorne schauen können."

Cowen wollte ein erneutes Referendum nach einigen Konzessionen an Irland nicht ausschließen, doch sein Integrationsminister Conor Lenihan prophezeite, dass ein zweites Referendum noch mehr Schaden für Irlands Interessen in Europa anrichten würde. Er sagte: "Man kann die Situation nicht mit dem Vertrag von Nizza vergleichen." Den hatten die Iren 2001 ebenfalls zunächst abgelehnt. Erst im zweiten Anlauf stimmten sie zu. Die Regierung hatte die Neuauflage mit der niedrigen Wahlbeteiligung von 35 Prozent begründet. Diesmal lag sie jedoch bei 53,1 Prozent, von denen 53,4 Prozent mit Nein stimmten.

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker lehnt einen neuen Versuch mit einem Volksentscheid in Irland ebenfalls ab. "Ich bin es leid", sagte er. "Es wird immer schwieriger, dass alle Mitgliedsstaaten sich in eine Richtung bewegen, und so bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als den Klub der Wenigen, der Integrationsfähigen zu gründen."

Italiens Präsident Giorgio Napolitano verlangte, dass die Länder, die eine Integration behindern, aus der EU ausgeschlossen werden. "Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die den Fortschritt beim Aufbau Europas wollen, die mutige Entscheidung treffen, jene zurückzulassen, die trotz ihrer Versprechungen diesen Fortschritt blockieren", sagte er. Der kroatische Präsident Stipe Mesic sagte über die Iren: "Nachdem sie den Strukturfonds ausgenutzt haben, um sich enorm zu entwickeln, ist es mit ihrer Solidarität vorbei."

Nur aus Tschechien, das den Vertrag noch nicht ratifiziert hat, waren andere Töne zu hören. Ministerpräsident Mirek Topolanek sagte, das irische Ergebnis dürfe nicht verharmlost werden. Der EU-skeptische Präsident Václav Klaus erklärte den Vertrag von Lissabon für tot.

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