Entscheidung in Marburg: Solar-Pflicht beschlossen
Das hessische Marburg hat als erste deutsche Stadt eine Solaranlagenpflicht für Bauherren beschlossen. Gegner schimpfen über "Öko-Diktat".
Mit den Stimmen der SPD, Grünen/Bündnis 90 und der Linken hat das Marburger Stadtparlament am Freitag Abend die umstrittene Solarsatzung beschlossen. Sie verpflichtet Bauherren und Hausbesitzer Neubauten und größeren Anbauten mit einer solarthermischen Anlage auszustatten. Auch bei größeren Dachsanierungen wird diese Art des Klimaschutzes zur Bürgerpflicht. Am 1. Oktober soll die Satzung in kraft treten.
Vorangegangen war ein aufgeheizte Debatte, in der sich die Fraktionen gegenseitig vorwarfen unsozial und irrational zu handeln. Die schärfste Kritik kam von der Marburger Bürgerliste (MBL). Ihr Vorsitzender Hermann Uchtmann warf dem Magistrat, unter den Jubelrufen der CDU und FDP Fraktionen, vor, es handle sich bei der Satzung um ein "ideologisch motiviertes Öko-Diktat". Sachliche Bedenken äußerten die Fraktionen von CDU und FDP in bezug auf die Rechtsgrundlage der Satzung.
Diese stützt sich auf Artikel 81 der hessischen Bauordnung (HBO), die es Gemeinden erlaubt, eine bestimmte Heizungsart vorzuschreiben, wenn diese der Vermeidung von Umweltbelastung dient. Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) räumte ein, dass die Stadt mit der Satzung juristisches Neuland betrete, hob aber gleichzeitig hervor, dass Marburg damit zum Vorbild für andere Gemeinden werden kann.
Verschiedene Rechtsgutachten kamen im Vorfeld zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das zuständige Regierungspräsidium kann nun die Satzung wegen Rechtsbedenken wieder aufheben. Vaupel kündigte jedoch an, im Falle dessen den Rechtsweg zu beschreiten.
Leser*innenkommentare
JoB
Gast
Gibt es bei der taz niemanden, der den Unterschied zwischen einer solarthermischen Anlage und einer PV-Anlage kennt? Und haben Sie keine Fotos von Solarkollektoren?
Warum muss denn eine Solarstromanlage ins Bild, wenn von Solarwärmeanlagen berichtet wird?
Sie schreiben ja auch nicht über den Sieg der Russen über die Holländer und zeigen dazu ein Tor von Ballack.
Zur Solarsatzung in Marburg: nicht besonders sinnvoll! Es wäre besser, Ziele (Energiestandards) vorzuschreiben, aber nicht eine bestimmte Technik.
bEN
Gast
Öko-Diktat? Sicher ist das ein Öko-Diktat. Aber was ist daran falsch? Doch nur, dass wir uns endlich darüber klarwerden müssen was wir wollen. Entweder einen Planeten der auch für kommende Generationen noch bewohnbar ist oder dicke Autos und möglichst bald Palmen an der Nordsee...
Julian W.
Gast
Dieses vielgescholtene Projekt ist eine echte Wohltat. Selbstverständlich geht es nicht nur um Marburg sondern um die Vorbildfunktion im größeren Rahmen.
Es ist ein sehr wichtiges, denn viele zukünftige Eigenheim-Besitzer erledigen die wesentliche planerische Arbeit ja nicht selbst. Fertighausfirmen mit Pauschalangeboten gewinnen an Macht. Und denen ist der Endpreis des fertigen Hauses wichtig, nicht die Betriebskosten. Schönheitsfehler sind nicht selten mangelhafte Energiesparmaßnahmen.
Das aber ist nicht nur für den Hauskunden, der sich erst über das günstige Angebot freut, ein Problem, sondern auch für die Umwelt. Insofern ist das Konzept "Solar- und Dämmpflicht bei Neu- und Umbau" (oder Alternativkonzept) goldrichtig um der Baubranche klare Grenzen aufzuweisen. Vermeintliche Billighäuser auf Kosten der Allgemeinheit sollten keine Chance bekommen.