Simon Rolfes über seine Rolle im DFB-Team: "Mein Standing hat sich geändert"

Rolfes über seine Leidenschaft für die Nummer 6, die enorme Bedeutung von "Zuverlässigkeit und Disziplin" - sowie seine Gelassenheit angesichts eines möglichen Bankplatzes im Halbfinale.

Gegen Ronaldo abgesichert: Simon Rolfes. Bild: ap

Herr Rolfes, Sie haben gegen Portugal so gut gespielt, dass Sie der Bundestrainer mit einem Sonderlob bedacht hat. Welche Bedeutung hat das Spiel für Sie?

Simon Rolfes: Das war das bisher wichtigste Spiel meiner Karriere. Die Erinnerungen daran werden bleiben.

Wie ist Ihr Auftritt in der Mannschaft angekommen? Haben Sie jetzt ein besseres Standing im Team?

Mein Standing hat sich geändert, keine Frage. Aber wohl weniger innerhalb der Mannschaft. Die wusste auch schon vorher, was ich kann. Ich denke da eher an mein Standing in den Medien. Die Kritiken waren ja ganz gut.

Braucht Ballack auch gegen die Türken die neue deutsche Doppelsechs mit Rolfes und Hitzlsperger als Sonderabsicherung? Schreit die unzuverlässige, nicht eingespielte Innenverteidigung der Türken nicht nach einem Zwei-Personen-Sturm? Wird doch wieder alles anders, obwohl im Spiel gegen Portugal beinahe alles so gut war? Und was ist mit Frings? Spielt er auf jeden Fall, wenn er fit ist? Frings selbst, für dessen angeschlagene Rippe ein Stützpanzer angefertigt wurde, glaubt, dass er es bis Mittwoch schaffen wird. Bislang hat er lediglich ein paar Laufeinheiten absolviert und ist Fahrrad gefahren. Auf Zweikämpfe im Training musste er sich nicht einlassen.

Offensiv wolle man agieren gegen die Türken, das hat Bundestrainer Löw schon angekündigt und gesagt, dass es sich anbieten würde, mit zwei Angreifern zu agieren, und hat die Qualitäten der schnellen deutschen Stürmer gelobt. Das Team stellt sich darauf ein, das Spiel nach vorne treiben zu müssen. Team-Manager Bierhoff mahnte höchste Konzentration an und empfahl, gegen die Comeback-Türken einen möglichst hohen Vorsprung herauszuarbeiten. ARUE

Und wenn Torsten Frings am Mittwoch wieder fit ist, sitzen Sie wieder auf der Bank.

Ich bin nicht der Trainer.

Fänden Sie es ungerecht, wenn Sie nicht spielen dürften?

Nein, ich habe mich gefreut, dass ich gegen Portugal die Chance bekommen und sie auch genutzt habe. Ich gehe völlig unvoreingenommen in Richtung Halbfinale.

Bei Bayer Leverkusen haben Sie 99 Spiele hintereinander gespielt. Wie ist es, plötzlich nur Ergänzungsspieler zu sein?

Das ist eine ganz andere Situation, ohne Frage. Ich war nicht frustriert, aber es ist eine deutlich andere Aufgabe, sich auf ein Spiel vorzubereiten, wenn man weiß, man spielt vielleicht gar nicht. Was die mentale Einstellung betrifft, ist das eine größere Aufgabe, als wenn man spielt. Wenn man spielt, ist es normal, dass die Spannung kommt.

Bei Ihrem Länderspieldebüt gegen Dänemark sind Sie mit der 38 auf dem Rücken aufgelaufen. Jetzt haben Sie die 6. Haben Sie die gefordert oder war es Zufall, dass Sie diese Nummer bekommen haben?

Beides. Ich wusste nicht, dass ich sie bekomme. Aber ich habe schon darauf gehofft, weil sie vorher ja keiner hatte. Das ist ja auch meine Position.

Welche persönlichen Eigenschaften muss man für diese Position vor der Abwehr mitbringen?

Zuverlässigkeit und Disziplin sind für diese strategisch wichtige Position grundlegend. Technik, Ballsicherheit und Übersicht gehören auch dazu. Aber die wichtigsten Eigenschaften sind Zuverlässigkeit und Disziplin.

Die EM ist Ihr erstes großes Turnier. Welche Erfahrungen haben Sie bisher gesammelt?

Es ist eine interessante Erfahrung. Wenn man die Vorrunde nimmt, wie es da besonders in den Medien hoch und runter gegangen ist. Das ist doch deutlich schnelllebiger und extremer als der Bundesliga-Alltag.

Gab es denn auch in der Mannschaft so extreme Stimmungsschwankungen?

Mit Sicherheit weniger als in den Medien. Vor dem Spiel gegen die Kroaten war natürlich eine andere Stimmung in der Mannschaft als nach der Niederlage. Und natürlich war der Druck vor dem Österreich-Spiel enorm, keine Frage. Wenn wir ausgeschieden wären, das kann sich ja jeder ausmalen, was dann passiert wäre.

Wenn Sie an Ihre weitere Karriere denken, ist es da nicht ein Riesennachteil, dass Sie mit Leverkusen im nächsten Jahr nicht international spielen?

Natürlich will ich Champions League spielen. Das ist auch das Ziel von Leverkusen. Aber mit einer guten Mannschaft und weniger Spielen können wir nächstes Jahr eine richtig gute Rolle spielen in der Bundesliga.

Zieht es Sie zu einem anderen, einem wirklich großen Klub?

Ich habe meinen Vertrag zwei Jahre verlängert, weil ich überzeugt davon bin, dass ich mich in Leverkusen weiterentwickeln kann. Danach werde ich neu überlegen. Als Kind war ich Real-Madrid-Fan. Da hatte ich auch ein Trikot.

Die Doppel-Sechs gegen Deco. Bild: ap

Jetzt steht erst einmal das Halbfinale gegen die Türken an, denen beinahe die komplette Innenverteidigung ausfällt. Würden Sie als Trainer da nicht auch lieber mit zwei Stürmern spielen?

Wir werden grundsätzlich offensiver agieren als gegen die Portugiesen. Das wird das Spiel ganz sicher ergeben. Zwei Stürmer bedeuten aber nicht zwangsläufig ein offensiveres Spiel, es kommt immer darauf an, wie man ein System interpretiert. Wenn die beiden Außen im 4-5-1 nach vorn gezogen werden, hat man plötzlich drei Stürmer.

Haben Sie bei den Türken eigentlich ein System erkannt? Oder ist es das kreative Chaos, das sie so erfolgreich macht?

Ihre Stärke ist ihre Fähigkeit zu überraschen. Die hat man gegen die Tschechen und die Kroaten gesehen. Die Türken werfen einfach alles nach vorne und können aus dieser Unordnung eine Überraschung schaffen. Es ist einfach wichtig, dass man das Spiel bestimmt, sich nicht das türkische Spiel aufdrängen lässt.

Sehen Sie die Gefahr, die Mannschaft könnte die Türken unterschätzen?

Wenn man das Halbfinale erreicht und das Finale als Ziel hat, gibt es kein Einstellungsproblem. Bei der EM 2004 hat keiner mit Griechenland gerechnet, und plötzlich waren sie Europameister. 1992 Dänemark. Gerade bei Europameisterschaften waren immer wieder auch kleine Mannschaften siegreich. Deshalb ist klar, dass man keinen Gegner unterschätzen darf.

Nach der Vorrunde dachten wir, Deutschland sei auch wieder eine kleine Mannschaft.

Das haben die Portugiesen vielleicht auch gedacht. Ich hoffe, wir sind die Mannschaft, die am 29. Juni im Finale steht.

Mit am Tisch des Gruppeninterviews saß ANDREAS RÜTTENAUER

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