Traumabewältigung: Der Gewalt den Kampf angesagt

Der Pädagoge Udo Kumpe bietet Opfern krimineller Gewalt eine Möglichkeit, ihr Trauma zu verarbeiten. In seinen Kursen lehrt er richtiges Verhalten in Gefahrensituationen - auch für Kinder und Jugendliche

Es ist 12 Uhr mittags. Daniel K. ist auf dem Weg nach Hause, als ihn eine Gruppe von 15 Jugendlichen auf der Bundesallee umzingelt. Der Anführer fordert Daniel auf, sein Handy rauszurücken und wird dabei auf den iPod des Schülers aufmerksam. Er zwingt ihn, beides abzugeben. Ansonsten werde die Bande Zigaretten auf seinem Kopf ausdrücken. Völlig verängstigt, leistet Daniel keinen Widerstand. Schließlich lassen die Jungs von ihm ab, der 14-Jährige bleibt allein auf der Straße zurück. Der Übergriff geschah schnell und unbemerkt - kaum ein Passant sah hin.

Nach dem Überfall auf Daniel K. aus Schöneberg vor einem Jahr versuchten die Eltern, Hilfe für den Sohn zu bekommen. "Daniel traute sich nicht mehr allein auf die Straße", erzählt seine Mutter. Es folgten Besuche bei einer Psychologin, die Daniel kurzzeitig halfen. Nach einiger Zeit erlitt er einen Rückfall und mochte nicht mehr alleine U-Bahn fahren. Daniels Eltern wandten sich an die Opferhilfe "Weißer Ring" und ans "baKum"-Institut für Selbstverteidigung.

Sie stießen auf Udo Kumpe. Der Pädagoge und Jiu-Jitsu-Trainer bietet seit 10 Jahren Selbstverteidigungskurse für Opfer krimineller Gewalt an - bisher in Einzelbetreuung und gegen eine größere Summe Geld.

Am kommenden Wochenende wird Kumpe sein Verhaltenstraining zum ersten Mal für eine Gruppe anbieten. Gemeinsam mit dem märkischen Sozialverein lädt er Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahren ein. Das Angebot ist kostenlos. "So etwas hat es noch nicht gegeben", sagt Kumpe. Auch Daniel wird zu dem Kurs kommen. Er hofft, sein Selbstvertrauen zurückzugewinnen.

Er wolle die Angst der Jugendlichen in Mut verwandeln, erklärt Kampfsportfan Kumpe. Er setzt auf Konfrontation und Lernen durch Erfahrung. In seinen Kursen verkörpert Kumpe Schläger und Diebe, während die Jugendlichen sich selbst spielen. Die Reaktionen bespricht er mit den Jugendlichen und zeigt ihnen Alternativen auf.

"Das Schwierige in solchen Situationen ist, bei einem Angriff einen kühlen Kopf zu bewahren", erklärt Kumpe. Für ihn sei Gewalt das letzte Mittel. Es sei wichtig, sicher aufzutreten, nicht aggressiv zu werden und die Täter zu verwirren. Die Angreifer sollten spüren, dass ihr potenzielles Opfer "noch etwas in der Hinterhand hält", so der Pädagoge.

Für Daniel hat Kumpe einige Tipps parat: Er hätte versuchen müssen, Passanten auf sich aufmerksam zu machen. "Dafür hätte er eine Fensterscheibe einwerfen oder laut rufen können", erklärt Kumpe.

Er arbeitet neben dem Verhaltenstraining auch auf der Trauma-Ebene mit den Kursteilnehmern. Daniel müsse sich klar machen, dass er nicht schuld, sondern einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sei. "Das ist wichtig, weil so psychischer Druck abgebaut wird", so Kumpe.

Der Trainer kritisiert dabei die Opferbetreuung der Polizei. Die Ermittler müssten sich viel mehr kümmern - auch um die Angehörigen, fordert er. Auch Daniels Mutter hätte sich so einen Ansprechpartner gewünscht: "Die Polizei hat zwar den Fall aufgenommen, Opferberatung haben sie uns aber nicht angeboten."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.