Sportdenkmal: Mit vollen Segeln für den Sport

Auf der Olympia-Regatta-Strecke in Grünau huldigte einst ein wilhelminischer Koloss dem Sport. Ein Verein will nun ein neues Denkmal

Man muss schon ziemlich viel Fantasie haben, um zu erahnen, was hier einstmals stand. Es war groß, mächtig und monumental und hatte seinen Standort genau am 1.000-Meter-Punkt der Regattastrecke in Berlin-Grünau.

Das 15 Meter hohe deutsche Sportdenkmal mit seiner ungewöhnlichen Gestalt bot einen imposanten Anblick, vom Wasser wie vom Land. Das Bauwerk war um ein Ziegelgewölbe herum aus Natursteinen gemauert. Das obere Drittel bildete eine Krone aus Sandsteinquadern. Auf der Widmungstafel stand: "Wilhelm dem Großen", und, in Großbuchstaben: "Der deutsche Sport".

1898 wurde das dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig nachempfundene und vom Architekten Bodo Gebhard gestaltete Sportdenkmal eingeweiht - anlässlich des zehnten Todestages von Wilhelm I. Dem Gönner des deutschen Sports sollte mit diesem Koloss ein Denkmal gesetzt werden, genauso wie der bis dahin sich zaghaft entwickelnden deutschen Sportbewegung.

Wer heute an die Regattabahn tritt, sieht von alldem nichts mehr. Die besten Zeiten des früheren Wassersportzentrums sind vorbei. An der Promenade, wo einst die großen, erst kaiserlichen, später bürgerlichen und akademischen Ruderklubs ihre Häuser hatten, herrscht graue Tristesse.

"Die Häuser verfallen oder sind an ausländische Investoren verkauft", erklärt Werner Philipp, der in Grünau ein kleines Wassersportmuseum betreibt. Ein Bootshaus in seiner Nachbarschaft wurde in die Türkei veräußert, ein anderes Klubhaus an einen großen schwedischen Energiekonzern. Passiert ist trotzdem nichts. Auch die ehemaligen Ausflugslokale, deren mächtige Terrassen bis ans Wasser reichen, sind verfallen.

Bis zur Wende genossen hier viele Berliner die Sommerfrische. Inzwischen dürfen auf der Ruderstrecke, wo 1936 die Olympischen Ruder- und Kanuwettbewerbe stattfanden, nur noch nationale Wettbewerbe ausgerudert werden. Schade, findet der fast 75-Jährige Philipp, der über die Geschichte des Geländes so gut Bescheid weiß. Er ist Mitglied des "Fördervereins Sportdenkmal Berlin-Grünau e. V".

14 Leute versammeln sich seit sechs Jahren in dieser Interessengemeinschaft. Ihr Ziel ist es, "an gleicher Stelle des abgebrochenen Sportdenkmals ein neues zu errichten". In der DDR war für ein solches Denkmal kein Platz. Das weithin sichtbare Monument war für die SED ein Sinnbild einer vergangenen, großdeutschen-reaktionären Zeit und wurde auf Geheiß der Partei im Jahr 1973 vollständig abgerissen. Den konkreten Anlass bildeten die 10. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ostberlin. Zahlreiche Steine des Denkmals, vor allem die, auf denen sich Sportvereine aus ganz Deutschland als Stifter verewigt hatten, wurden als Uferbefestigungen in Kanäle oder Seen versenkt.

Einige der insgesamt 300 Stiftersteine sind jedoch zuvor von Bürgern gerettet worden. "Mit Handkarren und in Kofferräumen der Trabis haben sie nachts die Steine weggeschafft und in ihren Gärten versteckt", erklärt Werner Philipp. Zwölf dieser geretteten Felsblöcke sind in seinem Wassersportmuseum, das im ehemaligen Kassenhäuschen der Olympiastrecke untergebracht ist, ausgestellt. In Stein gemeißelt sind darauf altehrwürdige Vereinsnamen aus Ostpreußen, Pommern, Hessen oder dem Saarland zu erkennen.

Werner Philipp weiß, dass der Sport der Wilhelminischen Zeit Geschichte ist und ein Denkmal heute anders funktionieren muss: "Der Sport ist modern geworden. Er ist vielfältiger und bunter." Es gibt einige Kritiker, auch beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), die sich weder mit der geografischen Lage noch der politischen Funktion eines neuen gesamtdeutschen Sportdenkmals am alten Standort in Grünau anfreunden wollen. "Das Denkmal ist eindeutig historisch belastet und die Lage sicher nicht optimal", sagt Christian Sachs vom Berliner DOSB-Büro.

Dennoch wächst der Unterstützerkreis, in der Politik wie im Sport. Der Denkmal-Verein hat einen Gestaltungsvorschlag von einer Kommunikationsdesign-Studentin vorgelegt. "Gemeinsam eins" heißt die Leitidee des neuen Denkmals. Es soll der Geschichte ebenso verbunden sein wie dem modernen Sport in all seinen Facetten. Der rund 13 Meter hohe Holzbau ist säulenartig konzipiert. Der breite Zugangsweg wird von sechs Objekten flankiert, die "Vereine, Sportarten und Charaktereigenschaften des Sportlers verbinden und symbolisieren sollen", wie es im Entwurf heißt. Bis zum nächsten Jahr wollen die Streiter für das Sportdenkmal ihr Bauprojekt realisiert haben. Dazu fehlen dem Verein allerdings 400.000 Euro.

Wenig Fürsprecher hat auch das Denkmal von Friedrich Ludwig Jahn im Neuköllner Volkspark Hasenheide. Das bundesweit einzige Ganzkörper-Denkmal des "Turnvaters" sieht verwahrlost aus. Gelder für den Erhalt des Monuments, das 1872 oberhalb des ersten offiziellen Turnplatzes des Kaiserreichs eingeweiht wurde, gibt es nicht. Auf dem Gelände wird nun eine indische Gemeinde einen Hindu-Tempel bauen.

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