Kommentar Betancourt: Noch kein Frieden in Kolumbien

Trotz der geglückten Geiselbefreiung ist Kolumbien noch nicht auf dem Weg zum lang ersehnten Frieden. Die Entwaffnung der "Paras", für die sich Uribe feiern ließ, hat sich längst als Farce entpuppt.

Besser kann man eine Geiselbefreiung nicht machen. 15 Geiseln, allen voran Ingrid Betancourt, sind frei und wohlauf. Die Militäraktion verlief trickreich und unblutig. Weder Präsident Álvaro Uribes venezolanischer Widersacher Hugo Chávez noch die lästige linke Senatorin Piedad Córdoba spielten eine Rolle. Eine größere politische Niederlage hätte die Farc-Guerilla kaum erleiden können. Uribes Politik scheint auf der ganzen Linie bestätigt, weltweit erntet er Lob und Anerkennung.

Doch ist damit Kolumbien wirklich auf dem Weg zum lang ersehnten Frieden? Nein. Zwar ist die Guerilla offensichtlich politisch und militärisch schwächer denn je. In den letzten 12 Monaten hat sie große Teile ihrer Führungsspitze verloren und, wie der Verlauf der Befreiungsaktion zeigt, unter dem ständigen Druck des Militärs auch deutliche Kommunikationsprobleme. Ein vollständiger militärischer Sieg des Staates ist trotzdem nicht möglich - Friedensverhandlungen unter diesen Umständen allerdings auch nicht. Wer verhandelt schon gern aus einer Position der Schwäche? Die Zeit der Farc ist schon lange abgelaufen. Doch für einen würdigen Abgang wird die nach dem Tod ihres Anführers Marulanda runderneuerte Guerillaführung um Alfonso Cano bessere Ausgangsbedingungen schaffen wollen. Das bedeutet: Es drohen neue Entführungen, Anschläge, Angriffe.

Dazu kommt, dass über Uribes Triumph leicht in Vergessenheit gerät, dass die Guerilla nicht die einzige und in vielen Regionen Kolumbiens auch längst nicht die wichtigste Quelle der Gewalt im Lande ist. Die rechtsextremen Paramilitärs, in deren Strukturen große Teile von Uribes Partei- und Regierungsapparat verstrickt sind, zeichnen für Morde, Vertreibungen und Einschüchterungen verantwortlich. Die Entwaffnung und angebliche Demobilisierung der "Paras", für die sich Uribe öffentlich feiern ließ, hat sich längst als Farce entpuppt. Menschenrechtsorganisationen klagen über stetig hohe Zahlen politischer Morde - von rechts.

Auch dafür steht Uribe. Zur Geiselbefreiung darf man ihm gratulieren. Zu peinlicher Lobhudelei wie aus dem Munde des deutschen Menschenrechtsbeauftragten Günter Nooke besteht allerdings kein Anlass.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.