die wahrheit: Laut! Lauter!! Manowar!!!

Vier Tage Schwermetall: Auf dem Festival in Bad Arolsen begeistern die Wahrheitklub-Mitglieder der lautesten Band der Welt

Ohrenbetäubender Lärm, Gekreische, lautes Tamtam und Tschingderassassabum lassen die verwinkelten Straßen und Gassen des gruseligen kleinen Ortes als einen Vorhof der Hölle erscheinen. Seltsam gekleidete Menschen schwenken Fahnen und wanken Bierkrüge schwingend durch die Gegend, und aus ihren hochroten Köpfen dringen erschreckende Laute, die wir nicht zu deuten wissen. Es ist Sonntagnachmittag im hessischen Städtchen Bad Arolsen, und es ist Schützenfest. Wir aber kriegen davon nicht mehr viel mit. Wir tragen dunkle Brillen gegen die quälende Sonne, und hören können wir eh nichts mehr. Wir waren auf dem Magic-Circle-Festival mit Manowar.

Die Wahrheitklub-Mitglieder 0000000998 bis 0000001001, besser bekannt als Heavy-Metal-Band Manowar, hatten zum Fest geladen, und alle kamen - und die Wahrheit ist selbstverständlich auch da! Schon die Anreise am Mittwoch gestaltete sich abenteuerlich, denn die Ausschilderung zum Festival ist in diesem Jahr von besonderer Originalität, und die Suche nach dem Haupteingang gleicht einer lustigen Schnitzeljagd, wie wir sie zuletzt im Pfadfinderlager mitmachen durften. Doch mit Hilfe eines verwegenen Taxi-Kutschers, der keine Gefahren oder Schlägereien scheut, mähen wir eine Schneise durch die zirka 20.000 Zelte des Campingplatzes und nehmen die Vogelfluglinie zum Eingang. Bei unserer Ankunft werden wir dann von Manowar herzlich begrüßt und bewirtet. Statt VIP- gibt es VFIP-Pässe ("Very Fucking Important Person") und direkt beim Soundcheck einen neuen Lautstärke-Weltrekord, den man noch in Kassel hören kann und für den die Besucher zu ihrer eigenen Sicherheit kilometerweit weggesperrt werden.

Wir beschließen, die Bierstände einer eingehenden Kontrolle zu unterziehen. An einem der geprüften Stände treffen wir auf Paul. Paul hat wohl auch schon eingehend einiges weggeprüft und zieht uns ins Gespräch: Seit Samstag schon sei er da, erzählt er uns ohne Punktundkomma. Er sei seit 2005 Manowar-Fan, und bis vor drei Wochen noch habe er Haare bis zum Arsch gehabt, doch er arbeite in einem Silo und da sei es immer so schrecklich heiß und deshalb habe er sich die Haare abschneiden müssen und nun schäme er sich so sehr. Wie er sich denn die Zeit von Samstag bis Mittwoch vertrieben habe, wollen wir von ihm wissen. "Na, mit Zeltsaufen", gibt er wie selbstverständlich zur Antwort. Allerdings sei er allein und habe keine trockenen Klamotten mehr, aber all das nehme er für Manowar gern auf sich.

An dieser Stelle wollen wir die Gelegenheit nutzen, um uns bei allen Manowar-Fans dafür zu entschuldigen, dass es uns trotz Einsatzes all unseres Einflusses und unserer Beziehungen nicht gelungen ist, die teilweise sintflutartigen Regenfälle und den furchtbar unangenehmen Nieselregen zu verhindern. Wir haben unser Bestes getan!

Da Paul im Verlaufe unseres Gespräches noch einige Baccardi und Biere konsumiert und es inzwischen dunkel ist, fragen wir ihn besorgt, ob er auch sein Zelt später noch finden wird. "Kein Problem!", ist er optimistisch. "Immer der Lautstärke nach, ich bin neben den Schotten."

Mit nur wenig Verzögerung setzt Eric Adams (Mitglied Nr. 0000000999) später unter den begeisterten Rufen der unzähligen behelmten Sympathisanten mit Pfeil und Bogen ein Wikingerschiff in Brand, Joey DeMaio (Nr. 0000000998) traut ein Metal-Pärchen, und der Mittwoch ist vorbei.

Höhepunkt des Donnerstages soll zweifellos der Auftritt des Altmeisters des Heavy Metals, des schwarzäugigen Königs der Grimassen, Alice Cooper, sein. Schon den ganzen Tag liegt Spannung in der Luft: Wird er tatsächlich auftreten? Werden die Backstage-Pässe dann noch gelten? Schon lange vor seinem Auftritt lungern wir hinter der Bühne herum, um einen Blick auf den Mann zu werfen, auch seine Garderobenräume haben wir im Auge - er kann uns eigentlich nicht entkommen. Dann Gejubel vom Gelände! Alice Cooper hat uns ausgetrickst und beginnt seine Show. Selten erlebten wir so großes Entertainment. Der kleine Mann sieht zwar inzwischen aus wie eine alte Indianersquaw, füllt aber die Bühne mit einer unfassbaren Präsenz! Gleich einem Brummkreisel flitzt er von Seite zu Seite, wechselt die Kostüme, schauspielert, tanzt, grimassiert, lässt sich aufhängen, erschlägt Frauen und Babys und bringt uns zum Lachen und Bewundern. Und er singt fast alle seine Hits. Das macht großen Spaß, und bei "Im eighteen" schwingt er kokett eine alte Krücke. Wir sind zufrieden und denken uns: "Hui! Da wird sich Manowar aber anstrengen müssen, um das zu toppen."

Aber Manowar wären nicht Manowar, wenn sie nicht vor gefühlten 20.000 Fans am Freitag und Samstag alle Register ziehen würden und mit ihrer Musik, ein wenig Feuer, noch mehr nackten Frauen und ein paar Motorrad-Verlosungen Alice Cooper tatsächlich die Stirn bieten würden. Und was wären wir auch für ein Wahrheitklub-Vorstand, wenn wir es uns erlauben würden, das irgendwie anders zu sehen.

Dass die für Samstag als Programmpunkte eingeplanten Bands Whitesnake und Def Leppard abgesagt haben, kann den echten Manowar-Fan nicht schrecken, doch am Nachmittag verbreiten sich auf dem Gelände zwei Gerüchte wie Lauffeuer und treiben den Besuchern Panikblässe in die Gesichter. Manowar werde gar nicht mehr auftreten, weil sie mit der Abendkasse durchgebrannt seien, wird offen gemunkelt. Oder schlimmer noch: Die Band werde sich nach diesem Konzert auflösen. Doch Dr. DeMaio weiß seine Anhänger schnell wieder zu beruhigen, indem er auf der Bühne lautstark bekannt gibt, dass ein paar "motherfucking assholes" diese Gerüchte nur verbreiten, um das Festival zu stören. Sofort sind alle wieder fröhlich und die Stimmung ist nett und ausgelassen. Die Menschen sind freundlich und friedlich. Wir fühlen uns wie im Ferienlager! Unzählige Nationen sind vertreten, und wir alle sind wieder 15 Jahre alt - bis auf Alice Cooper, der ist schon 18.

Besonders gefreut haben wir uns am Rande über einen etwas skurrilen Platzordner, der uns zwar immer anstandslos in den Backstagebereich hinein und sogar bis fast auf die Bühne hinauf ließ, uns aber jedes Mal daran hindern wollte, die Bühne wieder zu verlassen. Es war wie immer ein wunderschönes Heavy-Metal-Fest! Danke, Manowar!

CORINNA STEGEMANN

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