Handys im Knast: Zellen werden Funklöcher

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) will mit Störsendern die Handynutzung in Gefängnissen verhindern. Ein entsprechendes Landesgesetz ist in Vorbereitung. Doch nun formiert sich Widerstand

Hinter Gittern sollen keien Handys mehr erlaubt sein Bild: ap

Eigentlich sind Handys im Knast für Häftlinge verboten. Aber es gibt sie trotzdem. Denn die Geräte sind so klein, dass es ein Leichtes ist, sie durch die Kontrollen zu schleusen. Nun will Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) das Verbot auf andere Weise durchsetzen. In den Knästen sollen Handystörsender, sogenannte Jammer, installiert werden. Sie unterbinden den Funkverkehr.

Ein Landesgesetz, das die Einrichtung von Mobilfunkblockern auf dem Gelände von Haftanstalten erlaubt, ist in Vorbereitung. Doch es formiert sich Widerstand. Der Vorstand des Berliner Vollzugsbeirats (BVB), ein unabhängiges Gremium, das sich für die Belange des Strafvollzugs engagiert, fordert, Handys in den Knästen zu legalisieren. "Alles andere ist realitätsfremd", meint der Vorsitzende des BVB, Olaf Heischel.

Handys gehören längst zum Gefängnisalltag. Das beste Bespiel dafür ist die Jugendstrafanstalt in Plötzensee. 2005 wurden bei Kontrollen 91 Funktelefone beschlagnahmt, 2006 waren es bereits 184. Im letzten Jahr explodierte die Zahl auf weit über 400 Apparate. Ein Teil davon war von der benachbarten Kleingartenkolonie über die Anstaltsmauer geworfen worden. Der andere Teil tauchte in der Post, bei Besuchern oder vom Freigang zurückkehrenden Häftlingen auf oder wurde bei Zellendurchsuchungen beschlagnahmt. Dieses Jahr wurden bereits weit über 100 Geräte entdeckt. Die Bilanz der letzten dreieinhalb Jahre: rund 800 Funktelefone. Macht bei 600 Insassen mehr als ein Handy pro Nase. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nur um die entdeckten Geräte. Die Handymanie ist offenbar ein Jugendphänomen: In der weitaus größeren Männervollzugsanstalt Tegel wurden bisher deutlich weniger Mobiltelefone gefunden.

"Handys sind für Jugendliche ein Statussymbol", sagt der BVB-Vorsitzende Heischel. "Sie gehören längst zu ihrem Alltag, auch im Knast." Das Verbot führe dazu, dass die Geräte für die Häftlinge ein Herrschaftsinstrument werden. "Mit allem, was verboten ist, lässt sich Geld verdienen." Auch deshalb sind Heischel und die beiden anderen Vorstandsmitglieder des BVB, Annette Linkhorst und Hartwig Gruber, dafür, die Grauzone zu legalisieren. Nur bei akuten Sicherheitsbedenken solle es bei der Mobilfunknutzung Einschränkungen geben. Ansonsten müsse aber das im Strafvollzugsgesetz festgeschriebene Recht auf Kommunikation gelten.

Die legale Telefonpraxis in den Haftanstalten sieht derzeit so aus, dass Strafgefangene zu festgelegten Zeiten von Festnetzanschlüssen auf ihrer Station aus nach draußen telefonieren können. Das Problem ist aber, dass es zu wenige Apparate gibt. Das führt dazu, dass die Insassen Schlange stehen und sich bei den Telefonaten gegenseitig zur Eile antreiben.

Unerlaubte Mobilfunkgespräche Gefangener stellten eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung im Vollzug dar, so dagegen die Auffassung von Justizsenatorin von der Aue. Im Gegensatz zu Telefonaten aus dem Festnetz könnten Handygespräche von den Justizbediensteten nicht so leicht kontrolliert werden, erklärt der zuständige Referent Hans Pohl. Vom Drogenhandel bis zur Fluchtvorbereitung - "das Dunkelfeld des Missbrauchs ist unheimlich groß", meint Pohl. Der BVB-Vorstand mache es sich mit seiner Forderung nach Legalisierung zu einfach, findet er. "Die Argumentation ist oberflächlich und verantwortungslos."

Berlin wäre das erste Bundesland, dass seine Justizvollzugsanstalten mit Störsendern ausstattet. Die anderen Länder wollen laut Pohl aber bald nachziehen. Die Bundesnetzagentur sei gerade dabei, die erforderlichen Vorschriften für die Störung des Mobilfunks in den Justizvollzugsanstalten zu erarbeiten, versicherte er. Bevor in Berlin aber diese Jammer installiert werden können, muss das Abgeordnetenhaus das sogenannte Mobilfunkverhinderungsgesetz absegnen. Ob die Parlamentarier darüber noch in diesem Jahr abstimmen werden, ist noch offen.

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