Flüchtlinge: Zu krank für die Wissenschaft, zu krank für Deutschland

Ein 47-jähriger Doktorand aus Togo wurde exmatrikuliert, weil er in der Klinik lag. Ohne Unimitgliedschaft droht ihm nun die Abschiebung.

Wenn heute früh um sieben Uhr die Ausländerbehörde in der Nöldnerstraße ihren Dienst aufnimmt, steht für Abalo Anate alles auf dem Spiel. Kurz gesagt: sein Leben. Denn heute entscheidet sich, ob die am Montag abgelaufene Aufenthaltsgenehmigung des 47-Jährigen, aus Togo stammenden Berliners verlängert wird. Anates Schicksalsgeschichte begann in Deutschland. Er ist todkrank. Und gerade deshalb ist sein Aufenthaltsrecht nicht mehr gesichert.

Denn Anate, der seit elf Jahren in Berlin lebt, hat alles verloren, was - geht es nach den deutschen Behörden - sein Leben in der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen könnte: Sein Geld, seinen Studienplatz und damit sein Aufenthaltsrecht. Es bleibt nur ein Grund, weshalb die Behörden sich doch noch dafür entscheiden könnten, Abalo Anate zu helfen: seine Krankheit - die ihm in Deutschland erst seine Probleme verursacht hat.

Solange der studierte Agrarwissenschaftler als Promotionsstudent an der Berliner Humboldt Universität (HU) eingeschrieben war, war alles in Ordnung. Doch 2002 kam der Krebsbefund. Anate wurde in die Charité, das der HU angeschlossene Uniklinikum, eingeliefert und musste fünf Monate dort bleiben. Obwohl sein Doktorvater von der Klinik über Anates Zustand informiert gewesen sein soll, wurde der Student ohne sein Wissen exmatrikuliert - und verlor damit auch seine Aufenthaltsberechtigung.

Parallel dazu pfändete ein Gerichtsvollzieher seinen gesamten Besitz, weil Anate durch den langen Klinikaufenthalt in Mietrückstand gekommen war. Und weil ihm niemand dabei half, das Organisatorische zu klären. Nach zahlreichen Chemotherapien steht der an Lymphdrüsen- und Knochenkrebs leidende Berliner auch heute unter ständiger Medikation und kann sich nur mit Krücken bewegen. Dennoch muss er bangen, sich unter diesen Umständen bald in Togo völlig neu einrichten zu müssen.

Hubertus Benert, Sprecher der Senatsinnenverwaltung, die auch zuständig für die Ausländerbehörden ist, wollte gegenüber der taz gestern keine Hoffnung verbreiten. Er verwies lediglich auf die Möglichkeit, Anates Fall der Härtefallkommission des Senats zur Befassung zu geben. Das könnte zumindest die Aufenthaltsentscheidung verzögern. Doch diese Sache hat einen Haken: Eingaben können nur von Mitgliedern der Härtefallkommission selbst gemacht werden. Doch Kommissionsmitglied Pater Martin Stark vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst, der zuvor Kontakt mit Anate hatte und dessen Fall kennt, ist derzeit selbst in der Reha-Klinik. Folglich hat er noch keine Eingabe für Anate eingereicht.

Stephan Keßler, Referent beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst Berlin, sieht aber auch so Handlungsspielraum: "Die Senatsinnenverwaltung verweist gerne auf die Härtefallkommission, ohne ihren eigenen Ermessensspielraum auszunutzen. Damit macht sie es sich ein bisschen einfach."

Hintergrund ist: Das deutsche sogenannte Ausländerrecht sieht vor, dass Personen, deren Leib und Leben durch eine Ausweisung gefährdet sind, nicht einfach abgeschoben werden dürfen. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn Abalo Anates weit fortgeschrittene Krebserkrankung in Togo nicht adäquat behandelt werden könnte oder seine Reisefähigkeit nicht gegeben ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.